Dunkle Sehnsucht
ein Geschäftsviertel an den Friedhof, und ich kann Tate keine Truppen hinschicken lassen, die es abriegeln, weil dann Apollyon den Braten riechen würde. Sterbliche fernzuhalten, ist also deine Hauptaufgabe.«
»Nicht Apollyon auszuschalten?«, erkundigte er sich mit höflichem Missfallen in der Stimme.
Ich sah ihm in die kohledunklen Augen. »Wenn du ihm den Kopf abreißt, macht das bestimmt eine Menge Eindruck, aber mir nutzt es nicht viel. Ihr sagt doch immer, ich müsste meinen Feinden mal eine richtige Lektion erteilen, damit sie mir nicht ewig nachstellen. Na ja, ich bin es, die Apollyon die ganze Zeit über als Sündenbock missbraucht hat, also muss ich ihn auch unschädlich machen.«
Meine Worte stießen auf Schweigen. Ich machte mich auf eine Diskussion gefasst, insbesondere mit Bones, und war dann überrascht, als er lediglich mit einem kühlen Kopf-nicken reagierte.
»Du darfst deine Macht auch nicht einsetzen, um die anderen Ghule zu fixieren«, sagte Bones. »Wir stellen uns ihnen persönlich.«
Ich musterte die Van-Besatzung. Außer Mencheres, Kira, Vlad, Spade, Denise, Ed und Scratch waren noch ein paar Neuzugänge dabei, die in den letzten Tagen zu uns gesto-
ßen waren. Bones' Erschaffer Ian grinste tatendurstig. Mencheres' alter Freund Gorgon zuckte nur mit den Achseln, und die kleine blonde Gesetzeshüterin Veritas, die ebenso alt war wie Mencheres, obwohl sie wie Barbies kleine Schwes-ter aussah, schien das Thema sogar zu langweilen. Niemand erhob Einwände.
Zwölf Vampire und eine Gestaltwandlerin gegen alles, was Apollyon aufzubieten hatte. Das klang zwar nicht gerade vielversprechend, aber ich wusste, wie schlagkräftig unsere Truppe war. Und hätten wir zu viele Vampire zusammengezogen, hätte das Apollyon womöglich gewarnt.
»Also schön.« Ich bedachte jeden im Van mit einem steten, unerschrockenen Blick. »Apollyon will Krieg? Den soll er haben, aber nicht zwischen unseren beiden Spezies. Es wird ein Krieg zwischen seinen und unseren Besten sein.«
Bones sah mich an, in seinen dunkelbraunen Augen blitzte es grün.
»In einer Stunde machen wir uns auf den Weg«, verkündete er mit bedrohlich sanfter Stimme. »Dann sind alle Ghule eingetrudelt.«
Und wenn alle da waren, mussten wir nicht befürchten, dass irgendwelche Nachzügler das Gemetzel sahen und Verstärkung holten. Ich lächelte Bones an und spürte in mir diese Mischung aus Nervosität und Entschlossenheit, die mich stets vor einer Schlacht erfüllte.
»Ich kann es nicht erwarten, sie aufzumischen.«
Er lächelte mich genauso mordlüstern an.
»Ich auch nicht, Kätzchen.«
Der beißende Wind ließ mich die Augen zukneifen, während ich auf den Friedhof hinabsah, auf den Bones mit mir zuflog.
Wenige Lichter erhellten die Zugänge, aber es gab auch zwei besser ausgeleuchtete Bereiche. Einer war das Bestattungsinstitut. Das Schild mit der Aufschrift »Lasting Peace« war erleuchtet und unterstrich die düster elegante Konstruktion des zweistöckigen Gebäudes. Auch am Südende des Gräber-feldes war ein Bereich ausgeleuchtet, wo sich noch natur-belassenes, für eine spätere Nutzung vorgesehenes Gelände befand. Ich sah auf das kleine Podium und den darauf stehenden Ghul hinab, der von zwei tragbaren Flutlichtschein-werfern angestrahlt wurde, und konnte mir ein spöttisches Schnauben nicht verkneifen.
Apollyon hatte diese Scheinwerfer nicht aufstellen lassen, damit seine Anhänger ihn gut sehen konnten, während er wild gestikulierend darüber schwadronierte, dass Kain eigentlich ein Ghul war und Vampire von den Körperfressern abstammten, nicht umgekehrt. Ghule konnten im Dunkeln sehen. Wie arrogant musste Apollyon eigentlich sein, wenn er sich während einer als geheim geplanten Untoten-Kundgebung ausleuchten ließ wie ein Rockstar auf der Bühne?
Und war das ein Armani-Anzug, den er da trug? Mit meinem langweilig funktionalen, komplett schwarzen Stretch-trikot und den vielen Waffenholstern war ich für den glanz-vollen Anlass eindeutig zu schlicht gekleidet.
Bones ging abrupt in den Sturzflug über, sodass ich alle Stilfragen vergaß. Fabian hatte recht gehabt: etwa sechzig Ghule standen in ungefähr rautenförmiger Aufstellung bei-sammen und hingen gebannt an Apollyons Lippen, während ungefähr zwei Dutzend mit Maschinengewehren bewaff-nete Aufpasser die Umgebung abschritten. Auch am Haupteingang des Friedhofs hatten wir vier oder fünf Wachleute gesehen, aber über die machte ich mir keine Gedanken.
Mencheres
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