Dunkle Sehnsucht
einem Ghul, den er gerade außer Gefecht setzte. Die Gesichter der beiden waren einander ganz nah, als der Ghul, mit weit gespreizten Beinen unter Bones liegend, in einer makabren Parodie von Leidenschaft um sich trat. Trotz des Stresses, dem ich in den vergangenen Minuten ausgesetzt gewesen war - oder vielleicht gerade deswegen -, brach ich in schallendes Gelächter aus.
»Braucht ihr ein paar Minuten für euch allein?«, prustete ich.
»Oh, wir werden schon sehr bald Zeit füreinander haben.
Nicht wahr, mein Freund?« Bones' Tonfall war gedehnt, seine Stimme bedrohlich. »Kätzchen, für diesen Typen brauche ich beide Hände, also leg mir die Arme um den Hals und halte dich fest.«
Gehorsam klammerte ich mich an ihn, die Hände unter seinem Kinn. Bones beugte sich kurz vor und drückte mir einen Kuss auf die Finger, bevor die Atmosphäre sich mit seiner Kraft füllte und er losflog, durch den demolierten Ver-sorgungsflur hinaus aus dem Hotel.
Keine dreißig Minuten später flogen wir auf ein zweistö-
ckiges Haus zu, das etwa anderthalb Kilometer entfernt von der Hauptstraße an einem dichten Sumpf gelegen war. Ich hatte keine Ahnung, wie Bones hierhergefunden hatte, aber er war zielgerichtet darauf zugeflogen. Ich konnte etwa ein halbes Dutzend Leute ausmachen, die sich in Wachformation um das Haus aufgestellt hatten, und alle sahen sie zu uns empor, als wir näher kamen.
Bones gab sich nicht die Mühe, eine so elegante Landung hinzulegen wie sonst. Er setzte uns so hart ab, dass die Einfahrt Risse bekam. Die Wachen bildeten einen lockeren Kreis um uns, die Waffen gezogen, aber ohne zu feuern, offenbar auf Anweisungen wartend. Die kamen auch, als eine Tür aufschwang und ein hagerer, bärtiger Vampir heraustrat.
Sein langes braunes Haar schwang bei jedem seiner schnellen Schritte, während blaue Flammen über seine Arme zün-gelten, dabei aber wie durch ein Wunder kein Fädchen seiner Kleidung versengten.
Der Vampir sah uns und hielt inne.
»Bones. Cat.« Ein sardonisches Lächeln zuckte um Vlad Tepeschs Lippen, als er den nur teilweise bekleideten Bones, den Ghul, den er am Schlafittchen gepackt hatte, und meine blutverschmierten Klamotten musterte. »Wie nett, dass ihr vorbeigekommen seid.«
Ich ließ Bones los, damit er den Ghul besser fixieren konnte.
Bestimmt war er froh, dass ich ihm nicht länger die Kehle zudrückte, obwohl er ja nicht aufs Atmen angewiesen war.
»Dieser Mistkerl hat Antworten, die ich brauche«, wandte sich Bones in knappem Tonfall an Vlad, als er den Ghul bäuchlings in die betonierte Auffahrt warf und sich auf ihn stürzte, bevor der auch nur versuchen konnte, sich davonzumachen.
Ich grüßte Vlad mit einem kurzen Winken, während Bones mit dem Gesicht des Ghuls Dellen in die Auffahrt schlug. »Wir sind im Hotel von Ghulen angegriffen worden, und er ist der einzige, der noch am Leben ist«, erklärte ich.
»Sie haben euch innerhalb der Stadtgrenzen aufs Korn genommen?« Vlad warf dem Ghul einen neugierigen Blick zu. Der Schaden an seiner Ausfahrt schien ihn nicht zu stö-
ren, aber ich nahm mir trotzdem vor, ihm einen Scheck aus-zustellen. »Marie hat doch nicht etwa ihr Versprechen gebrochen, euch freies Geleit zu gewähren, oder?«
»Das ist meine erste Frage«, meinte Bones und scheuer-te das Gesicht des Ghuls über einen scharfkantigen Riss im Beton. »Hat die Königin von New Orleans dich geschickt?«
»Fick dich«, fauchte der Ghul.
Ich fuhr zusammen, Bones Lippen wurden schmal. Warum nur hatte er das gesagt? Jetzt würde es wirklich unge-mütlich für ihn werden.
»Willst du es auf die blutige oder die schnelle Art erledigen?«, erkundigte sich Vlad, der mit kühler Gelassenheit zusah, wie Bones wieder anfing, mit dem Schädel des Ghuls die Auffahrt zu beschädigen.
»Ist mir im Grunde egal, wie ich meine Antworten bekomme«, gab Bones in knappem Tonfall zurück und schmetterte das Gesicht des Ghuls zur Bekräftigung noch einmal auf den Boden.
»Hmm. Halt ihn fest, aber mit ein bisschen Abstand.«
Bones löste sich von dem Ghul, auf dessen Rücken er ge-hockt war, und packte ihn stattdessen mit stählernem Griff am Arm. Vlad näherte sich dem Ghul und zauste ihm fast beinahe freundschaftlich das Haar. Dann gesellte er sich wieder an meine Seite. Während der paar Schritte, die dazu nötig waren, begannen Flammen an den Beinen des Ghuls emporzuzüngeln, die ihm Kleidung und Haut schwärzten.
Der Ghul kreischte. Unwillkürlich musste ich eine Grimasse
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