Dunkle Sehnsucht
abgesehen haben, wenn jemand Cat umbringt. Deshalb müssen die Ghule sich auch gerade jetzt erheben, wenn die Vampire am wenigsten damit rechnen und sie noch im Vorteil sind. Sobald Apollyon den Krieg gewonnen hat, wird er Cat öffentlich zur Strecke bringen, damit die Moral der überlebenden Vampire maximal geschwächt wird.«
Hinterlistige Mörderbande, dachte ich voller Wut und Abscheu.
Zu meiner Rechten erklang ein leises Knurren. Ich drehte mich um und stellte überrascht fest, dass es von Fabian kam.
»Und die ganze Zeit über kam nicht einmal die Frage auf, was mein Volk in dieser Angelegenheit zu tun gedenkt, stimmt's?«, erkundigte er sich in scharfem Tonfall.
Dave schien ebenso überrascht zu sein wie ich. »Äh, nein, Gespenster wurden nicht erwähnt«, antwortete er betreten.
Fabians transparente Züge wirkten zorniger, als ich es je erlebt hatte. »Wir haben vielleicht nicht die gleichen Fähigkeiten wie der Rest von euch, aber Geister sind nicht völlig machtlos. Und wir. Sind. Viele«, stellte er fest, die letzten drei Worte besonders betonend.
»Restwesen und rachsüchtige Seelen könnten in einem Kampf vielleicht etwas bewirken, aber was kann das Durch-schnittsgespenst denn schon tun?«, wollte Vlad ein wenig ungeduldig wissen. »Ihr könnt vielleicht im Vorfeld eines Konflikts an wertvolle Informationen herankommen und Nachrichten übermitteln, aber im Kampf seid ihr weniger nützlich.«
Einesteils wollte ich Vlad für seine kühle Einschätzung gespenstischer Möglichkeiten tadeln, andererseits musste ich ihm doch widerstrebend recht geben. Restwesen?
Furchteinflößend. Rachedurstige Seelen? Furchteinflößend.
Gespenster? Nicht furchteinflößend, es sei denn, man war ein Mensch und sah zufällig eins auf dem Friedhof. Oder man erlebte als Kind, wie eins unter dem Bett hervorhusch-te und »Buh!« rief.
»Manche Vertreter meiner Art sind mächtiger als andere«, beharrte Fabian. »Warum, glaubt ihr, können nicht medial veranlagte Menschen manchmal Geister sehen? Warum erscheinen sie auf Filmen oder Tonbandaufnahmen? Warum haben sie sogar schon Menschen angegriffen und sichtbare Kratzer und andere Verletzungen hinterlassen? Es gibt Geister, die stark genug sind, sich in körperlicher Form zu mani-festieren, manchmal sogar über mehrere Stunden hinweg.
Und davon einmal abgesehen: Es müssen sich nur genügend meiner Leute zusammentun, dann sind sie in der Lage, so viel Energie aufzubringen, dass sie als effektive Waffe eingesetzt werden kann.«
Ich war verblüfft. Dave schürzte nachdenklich die Lippen, und Mencheres machte wie immer ein ausdrucksloses Gesicht, nur Vlad beäugte Fabian mit offener Herausforderung im Blick.
»Wenn Geister zu all dem in der Lage sind, warum verschwenden sie dann ihre Zeit, indem sie in alten Häusern und auf Friedhöfen herumspuken und Menschen mit seltsamen Lauten erschrecken? Ihr werft damit doch Perlen vor die Säue.«
»Vlad, es reicht«, unterbrach ich ihn barsch. Was er auch über die seltsamen Gewohnheiten von Gespenstern denken mochte, Fabian war immer noch mein Freund. Ich würde nicht widerspruchslos mit anhören, wie seine gesamte Art madig gemacht wurde.
Fabian ließ sich von Vlads harscher Kritik nicht beeindrucken. »Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, zwischen den Welten zu existieren«, sagte er und schwebte auf ihn zu, statt den Rückzug anzutreten. »Wir gehören weder zu den Lebenden noch zu den Untoten. Man braucht Jahre, um zu verkraften, dass man nicht zu den neunundneunzig Prozent aller Verstorbenen gehört, die den Übertritt ins Jenseits geschafft haben. Jahre, in denen man sich damit abfinden muss, dass alles, was man sich im Leben erarbeitet hat, verloren ist und einem nur noch leere Erinnerungen bleiben. Jahre, in denen man wieder und wieder versucht, mit seinen Lieben in Kontakt zu treten, nur um immer aufs Neue zu scheitern, weil einen außer Verrückten, medial Veranlagten, Untoten und anderen Geistern niemand sehen kann. Jahre, in denen man akzeptieren muss, dass - auch wenn ich keine Ahnung habe, warum - Vampire und Ghule einen wie Ungeziefer behandeln, obwohl sie nicht menschlicher sind als man selbst.«
Fabian rückte weiter vor, bis sein Zeigefinger in Vlads Brust verschwand. »Und jetzt soll noch einer von euresgleichen oder sonst wer behaupten, er hätte schon ähnlich Schlimmes durchmachen müssen. Denk nächstes Mal besser nach, bevor du den Wert eines Gespensts in Frage stellst oder die Jüngeren verurteilst,
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