Dunkle Spiegel
wendete rasch meinen Blick ab. Eine unangenehme Kälte beschlich mich. Langsam ließ ich meinen Blick zunächst über die linke Seite des Raums wandern.
Eine Werkbank mit allerhand Werkzeugen, alles war fein säuberlich an der Wand befestigt und sogar der Größe nach sortiert. In zwei große Setzkästen mit Dutzenden kleinen Schubladen waren Schrauben, Dübel, Nägel und Haken penibel genau einsortiert worden. Fünf Wäscheleinen zogen sich von einer Wand zur anderen durch den Raum. In einer Ecke ruhten Gartenmöbel unter einem transparenten Überwurf.
Eben einfach nur ein Keller. Funktional eingerichtet, schlicht und unspektakulär. Wäscheleinen, Werkzeug, Gartenmöbel und ein großer, älter wirkender, zweitüriger Schrank, der auf der rechten Seite recht viel Platz in Anspruch nahm. Die Wände waren verputzt, aber nicht gestrichen. Es gab nur ein schwaches Licht, das eben ausreichte, um die notwendigsten Dinge zu verrichten.
Ein ganz einfacher Keller. Abgesehen von Blut und Glasscherben natürlich!
Dann wendete ich den Blick nach rechts. Durch einen Mauervorsprung war dieser Teil des Raums halb verdeckt. Als ich ihn umrundet hatte, knirschte es auffällig unter meinen Sohlen.
Steinbrocken lagen dort auf dem Boden. Zerbröselter Zement und staubige Brocken von alten Backsteinen. Das alles bildete einen etwa halbhohen Haufen.
Noch bevor ich mir richtige Gedanken zu der Frage, was denn ein Loch in der Wand und ein großer Haufen Steine, der davor lag, in einem Keller wie diesem zu suchen hätten, war ich auch schon näher getreten.
Die Backsteine waren grau und kalkig bleich. Aber an einigen Stellen gab es ungewöhnliche Farbtupfer.
Blut!
Ich trat noch näher. Blinzelte angestrengt, um in diesem dämmrigen Licht genug sehen zu können, obwohl eine innere Stimme mich energisch davor warnte.
Aber ich konnte einfach nicht anders.
Ich beugte mich vorsichtig herab und begutachtete jeden Quadratzentimeter des Backsteinhaufens vor mir. Da registrierte mein Auge etwas, nur eine Kleinigkeit. Ich schluckte, und es fühlte sich durch die trockene Luft an, als würde ich ein Stück Schleifpapier verschlucken wollen.
Mit dem Kugelschreiber schob ich kleinen Zementbrocken beiseite und blies sachte den Staub weg. Wie von einer Tarantel gestochen schnellte ich empor, als ich erkannte, dass da etwas in dem Brocken steckte, was da ganz offensichtlich nicht hinein gehörte.
Es ragte uns entgegen wie ein drohendes Mahnmal!
Ein langer, blutiger Fingernagel!
*** 63 ***
Schnell stolperte ich einen Schritt zurück. Mir brach der kalte Schweiß aus. Nervös rieb ich mein stoppeliges Kinn, während ich den Blick einfach nicht von diesem Nagel abwenden konnte. Er war rot lackiert und mit scharfkantigen Rissen übersät. Nur langsam konnte ich meine Augen zwingen, sich von diesem Punkt zu lösen, bis ich den Gesteinshaufen wieder als Ganzes wahrnahm. Ich folgte ihm schließlich bis zum Gipfel. Und über die kleine Gerölllade hinweg traf mein Blick schließlich auf die angrenzende Wand - und fiel buchstäblich in ein Loch.
Ein dunkles Loch in der Wand!
Ähnlich einer kleinen Vorratskammer, vielleicht knapp etwas mehr als einen halben Meter breit und anderthalb Meter hoch, schien es sich um eine natürliche Aussparung in der Wand zu handeln. Und davor lagen die Steine, der Staub, die Zementbrocken. Wie aus dem kleinen Raum herauskatapultiert.
Ein Loch in der Wand!
Steine!
Blut.
Ein Fingernagel!
Hier musste etwas Schreckliches geschehen sein!
“So wie es aussieht,” begann Agent Newman leise, als er unbemerkt neben mich getreten war, “hat der oder die Täter Mrs. Gumbler überrascht, sie brutal geschlagen und hier hinuntergeschleppt. Dann hat man sie in dieser Mauerlücke neben dem Kamin eingemauert. Sie wird zu diesem Zeitpunkt wohl bewusstlos gewesen sein.”
“Oder aber sie kannte ihren Mörder und hat um Gnade gefleht.” sagte Ramirez ebenso leise.
“Oder sie war fest davon überzeugt, dass ihr Mörder sie nicht wirklich einmauern würde. Vielleicht dachte sie, dass er sie nur hatte erschrecken wollen.” fügte Newman seufzend hinzu. “Sie muss dann irgendwann versucht haben, sich wieder zu befreien. Dadurch entstanden diese Kratzspuren. Und deshalb nahmen wir auch an, dass Mrs. Gumbler zuvor bewusstlos gewesen sein musste. Sonst hätte sie sich schon früher gewehrt, bevor die Kammer ganz verschlossen war. Der Mörtel war wohl noch nicht durchgehärtet. Zum Glück! Sie hat es unter größter Anstrengung
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