Dunkle Spiegel
außergewöhnlich dick und robust. Bei näherem Hinsehen erkannte ich auch ein ganz anderes Holz als das, aus dem der Schrank gezimmert worden war. Das Bein steckte mit einem kleinen Rad in einer tiefen Furche am Boden. Ich roch Schmierfett. Sachte zog ich an der Schrankseite. Mühelos ließ sich der Schrank schwenken, ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen.
Hier wollte jemand etwas bedeutend Wichtiges vor fremden Augen schützen! Etwas verheimlichen, wozu er sich aber wiederum jederzeit unbemerkt Zugang verschaffen konnte. Ein Gefühl von Bewunderung über die Konstruktion und die Mühe, die in diese Konstruktion investiert worden war, beschlich mich.
Ich richtete mich auf und betrachtete die Tür.
Abgerissene Fingernägel, Löcher in Wänden, blutige Scherben - was würde uns wohl hinter dieser versteckten Tür erwarten? Vorsichtig legte ich die Hand auf den Türknauf. Er war sehr verstaubt und mit Spinnweben überzogen.
“Den hat wohl schon lange niemand mehr angefasst.” sagte ich.
“So sieht es jedenfalls für uns aus. Aber um diese Tür zu öffnen, braucht man diesen Knauf ja auch gar nicht!” meinte Agent Newman neben mir und setzte ein schiefes Lächeln auf. Dann fuhr er mit der Hand über den Türrahmen. Er drückte auf verschiedene Stellen, offenbar nach einem ganz bestimmten Muster. Als er den Türrahmen einmal komplett abgetastet hatte, legte er stirnrunzelnd ein Ohr an das Holz und wiederholte seine Aktion rückwärts. Zentimeter für Zentimeter tastete er sich vor, drückte, schob und rieb.
Plötzlich sprang die Tür auf.
“Ein versteckter Summer als Türöffner!” rief er anerkennend aus. “Er hat ein Loch herausgefräst, die technischen Teile eingebaut und das Holzstück danach fein säuberlich auf dem Knopf montiert, mit dem sich die Tür öffnen lässt. Keine Rillen, keine Lücke. Allein diese Arbeit muss mehrere Tage gedauert haben.”
Die Tür hatte sich nur aus ihrem unsichtbaren Türrahmen gelöst, verbarg aber noch die Dinge, die dahinter auf uns warteten. Ich ließ meinen Blick über den Türrahmen wandern.
“Drähte …” murmelte ich verdutzt. Am oberen Türrahmen bemerkte ich eine kleine Aussparung, aus der zwei dünne Kabel hervorkamen, die rot und grün ummantelt waren, um dann an der Wand abwärts in den Fußleisten zu verschwinden.
“Ein Sprengsatz vielleicht?” fragte Newman verwundert.
Ich zuckte mit den Achseln. Ich war mir nicht sicher, ob ich der Person, die hier soviel Sorgfalt darauf verwendet hatte, das alles zu verbergen, nun auch eine ebenso große Leidenschaft für nicht gerade gründlich versteckte Sprengdrähte anlasten konnte.
Kurzerhand zückte ich mein Handy und gab eine kurze Anweisung. “Rufen Sie das Sprengkommando. Wir gehen auf Nummer Sicher. Wenn der Kerl so wahnsinnig ist, seine Frau in diesem Loch einzumauern, dann ist er auch in der Lage eine Bombe als Abwehr gegen neugierige Polizisten zu bauen und einzusetzen.”
Agent Newman zog mich sachte aber bestimmt zur Seite, während sich zwei Männer in schwarzen Spezialuniformen am Türrahmen zu schaffen machten.
“Sie sind sich also sicher, dass der Ehemann das hier vollbracht hat? Sie hören sich nämlich an, als wären Sie sehr, sehr sicher!”
“Wir haben ihn gesehen, da gibt es nicht den geringsten Zweifel! Wir waren in der Bar, haben etwas getrunken und Geschichten von früher aufgewärmt. Und - was für ein Zufall - eben diese Geschichte von einer eingemauerten Frau finden wir hier wieder vor. Genau wie damals! Und um ganz ehrlich zu sein: ich glaube nicht an Zufälle!”
“Der Mann war also in der gleichen Bar wie Sie. Er war in Ihrer unmittelbaren Nähe. Hat Sie vermutlich sogar belauscht, wie Sie sagen. Zufall? Ich meine, warer wirklich nur rein zufällig dort? Ein Irrer mit Mordlust, der vielleicht gerade einen Streit mit seiner Frau hinter sich hatte - und Ihre Geschichte dann als die einfachste Möglichkeit sah, sich seiner Frau zu entledigen?” Pause. “Aber an Zufälle glauben Sie ja nicht, oder?” Sein Blick war ernst. Angespannt.
Ich hatte mir diese Frage auch schon gestellt, war aber zu keinem Ergebnis gelangt. Wenn ich meiner Intuition vertraute, dann war dieser Kerl aus einem bestimmten Grund in dieser Bar gewesen. Aber aus welchem? Er setzte sich bewusst in unsere Nähe. In Reichweite. War er uns etwa gefolgt? Kannte er uns vielleicht sogar schon länger? Wollte er uns etwa auf sich aufmerksam machen?
Es gab keine Zufälle!
Alles war ein
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