Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
mich einfach aufs Bett legen und mich Dan hingeben. Ich war davon überzeugt, dass es sich so gehörte. Und hatte ich damit nicht recht?
Es war magisch. Jedenfalls der erste Teil. Mein Bewusstsein reduzierte sich auf einen leuchtenden kleinen Punkt, wie der letzte Lichtpunkt auf dem Bildschirm, wenn man den Fernseher ausmacht. Doch dann durchbrach Dan den Zauber. Er sagte: »Geh nicht weg!«, und verschwand im Bad.
Ich blieb auf dem Bett liegen. Was blieb mir auch anderes übrig? Schließlich konnte ich nicht einfach aufstehen und hinausspazieren. Und außerdem war Dan der mit Abstand glamouröseste Typ, mit dem ich mich je abgegeben hatte. Seidenweicher Pullover, glatte blonde Haare, honigfarbene Haut. Und er wusste, wie man eine Schwangerschaft verhütete, was man von den Jungs aus Dublin damals noch nicht erwarten durfte.
Und dann das Erstaunen und der Stolz, dass das, was wir taten, eine so starke Wirkung auf ihn ausübte. Und das hatte mit mir zu tun. Mit mir! Ich konnte das bei einem Mann auslösen! Bei einem Mann wie ihm! Ich!
Als er sich wieder anzog, schlüpfte er in ein weißes T-Shirt. Ich hatte so ein Teil noch nie gesehen. Außer bei James Dean, im Kino. Aber überhaupt war Dan ja der erste Mann, den ich sowohl angekleidet als auch unbekleidet gesehen hatte.
Er fasste durch die weißen Vorhänge und berührte den Fensterrahmen.
»Meinst du, es war vielleicht das Fenster hier?«, fragte er mich.
Na ja, eher nicht, wollte ich antworten, denn es war nicht zu übersehen, dass dieses Fenster keine hundertfünfzig Jahre alt sein konnte. Aber Dan war ganz versessen darauf, er schien es sich so innig zu wünschen, dass ich sagte: »Könnte sein.«
Und Shelley war schließlich selbst damals nicht für viele Leute eine derart wichtige Person.
Ich sagte, ich müsse nach Hause. Ich wollte weg, ich wollte allein sein. Aber nach Kilbride konnte ich noch nicht, weil ich ja nicht früher zurückkommen durfte als sonst. Also wartete ich in einer Fish and Chips-Bude in der Marlborough Street, trank Tee und las Der große Gatsby . Zum Glück hatte ich zufällig eins der schönsten Bücher, die je geschrieben wurden, in der Tasche gehabt. Nein, ich war nicht traumatisiert, wie die jungen Frauen in den Romanen es oft waren, nachdem sie ihre Unschuld verloren hatten. Aber ich fühlte mich anders – schwerer und gleichzeitig irgendwie zittrig. Außerdem war alles da unten etwas wund und irritiert. Meinen Slip würde ich später wegwerfen müssen. Aber Dan hatte mich zu nichts gezwungen. Zwar wusste ich hinterher nicht so recht, was das Ganze eigentlich sollte, aber ich wollte unbedingt alles lernen, was mein Körper mir beibringen konnte.
Bei meinen Plänen und Entscheidungen hörte ich noch immer hauptsächlich auf meinen Körper. Ich hatte zum Beispiel schon im Voraus gleich für heute einen Termin beim Zahnarzt vereinbart, weil ich wusste, dass ich nach dem langen Flug ein paar Tage extrem müde sein würde – und dadurch hatte ich weniger Angst als sonst. Als ich vom Zahnarzt zurückkam, ließ ich mich erschöpft in Mins blauen Sessel sinken, und Bell kletterte sofort auf meinen Schoß. Später trottete ich zum Supermarkt und kaufte Speckscheiben, Eier und die Zeitung. Das weckte meine Lebensgeister. Die alte Zinnuhr tickte unermüdlich, und so verging der Nachmittag. Das Feuer knackte leise. Nebenan kam
Monty nach Hause, und ich hörte, dass er sich im Fernsehen eine Sendung anschaute, bei der die Leute immer wieder jubelten und klatschten. Ein Golfmatch, was sonst.
Ich rief in New York an. »Signora Connors!«, brüllte ich in den Hörer. »Min. Miiin! Señora molto poco.«
Aber die Frau, die im Estrellita das Telefon beantwortete, redete Spanisch mit einem Akzent, den ich nicht verstand. Sie brach unvermittelt das Gespräch ab, und ich hörte nur noch Schritte und Stimmen und knallende Türen. Als ich endlich aufgab, hatte mich der Anruf schon fast zehn Euro gekostet. Für nichts und wieder nichts.
Danach tappte ich unruhig durchs Haus. Ich war noch nie so orientierungslos gewesen. Mein Herz fühlte sich an, als wäre es von einer kalten Schicht umhüllt, ähnlich wie der Mond, den ein diffuser Hof umgibt. Zum ersten Mal war niemand da, an den ich mich wenden konnte. Keine Menschenseele.
Sollte ich es noch einmal mit Leo versuchen? Aber was würde das bringen? Seit mindestens einem Jahr wurde es immer schwieriger, ein Treffen mit ihm zu vereinbaren. In Macerata hatten wir es nicht einmal das ganze
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