Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
genau die Altersgruppe, die wir mit unseren »Gedanken« erreichen wollen. Ich habe mir notiert, welche Wörter auf dem Titelblatt von MORE stehen. Hier sind sie:
erfolgreich
elegant
gesund
abenteuerlustig
Das Vokabular der irischen Nörgler taucht in MORE nicht auf, aus einem ganz einfachen Grund: Dieses Vokabular würde alle, die nicht mehr ganz so jung sind, wie sie mal waren, unendlich deprimieren.
RosieB an MarkC
Entschuldige, wenn ich etwas begriffsstutzig bin. Aber werden die Amerikaner nicht genauso alt wie andere Leute auch? Und sie sterben doch auch irgendwann, oder?
Nur für den Fall, dass Du zufällig mich meinst, wenn Du von irischen Nörglern sprichst – ich möchte erwähnen, dass ich das Leben heute WUNDERSCHÖN finde. Ich habe eine WUNDERSCHÖNE Überraschung für Min, die ich ihr unbedingt mitteilen will, aber es nimmt keiner ab, wenn ich die Handynummer ihrer Freundin Luz anrufe.
Zufällig bin ich auf ein mögliches Motto für unsere Gedanken gestoßen, und zwar in Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (das Buch hast Du mir gegeben, als wir in unserer Rilke-Phase waren).
»Ich habe um meine Kindheit gebeten, und sie ist wiedergekommen, und ich fühle, dass sie immer noch so schwer ist wie damals und dass es nichts genützt hat, älter zu werden.«
Wie findest Du das?
MarkC an RosieB
Das meinst Du doch nicht ernst, oder?
RosieB an MarkC
Okay, okay. War nur ein Scherz.
11
K ein Mensch wusste, wo ich war, als ich am nächsten Morgen mit dem Schlüssel, den ich beim Fliegerkorps abgeholt hatte, das Lagertor öffnete. Da stand ich nun in der milden, belebenden Luft und horchte, wie von den Zweigen der Buchen, deren Grau mit hellem Grün verziert war, die Krähen meine Ankunft verkündeten.
Ich spürte, wie mein Herz gegen die Rippen wummerte, als ich das Tor wieder hinter mir verschloss.
Jetzt befand ich mich auf meinem eigenen Territorium.
Es gab keine Straße zum Ufer, nur einen Pfad hinter den alten Wellblechbaracken, die eine rissige, holprige Landebahn säumten und deren Dachabdeckungen völlig kaputt waren. Der Pfad führte um eine Wiese herum und endete an einer grünen Anhöhe, diesem Berg oder Hügel, der durch die Steinbrucharbeiten ganz zerklüftet war und vermutlich die Grenze zwischen Land und Meer bildete. Dort ließ ich meinen Wagen stehen, rückwärts geparkt in einer höhlenartigen Vertiefung zwischen dichtem Buschwerk. Kaninchen flitzten davon und verschwanden in einer Müllhalde aus verrosteten Gerätschaften, die von den weißen Blüten irgendeines alles verschlingenden Unkrauts überwuchert waren.
Winden. Convolvulus , so der wissenschaftliche Name. Ein gutes Zeichen. Markey hatte mir einmal gezeigt, wie sich die Ranken mit diesen Blüten um einen Zaun wanden. Natürlich
hatte er mir auch die lateinische Bezeichnung für die Pflanze beigebracht. Er wollte wissen, ob ich das Wort Konvolut schon mal gehört hätte. Nein? Es bedeute so viel wie Sammelband oder auch Knäuel aus verschiedenen Dingen, erklärte er. »Dieselbe lateinische Wurzel wie Convolvulus «, sagte er. »Beides kommt von convolvere , zusammenrollen, zusammenwinden.«
Mir war das alles ein bisschen zu hoch. Ich war sechzehn Jahre alt und arbeitete in einem Kaufhaus. »Und was willst du damit sagen?«
Er erläuterte mir, dass Wörter eine Geschichte haben und verschiedene Dinge bedeuten können, aber trotzdem oft auf denselben Ursprung zurückgehen. Das kapierte ich sofort. Ich freute mich so darüber, dass ich kein Wort herausbrachte, ich strahlte ihn nur an, und das war einer der seltenen Augenblicke, in denen er mir einen schnellen Kuss auf die Wange drückte.
Ich kletterte jetzt die Anhöhe hinauf, vor Freude so gelenkig wie damals mit sechzehn. Gab es Bücher, in denen die verschiedenen Grassorten erklärt wurden, und welchen Namen hätte die Grassorte hier – dicht, kurz und glatt? Ein winziges Kaninchen hoppelte vorbei, leuchtend weiß auf der grellgrünen Wiese. Ich schaute ihm immer noch nach, als mich eine frische Brise erfasste, die direkt vom Meer zu kommen schien – ich hob den Blick, und da sah ich alles: Milbay auf der anderen Seite des Flusses, vor mir das Meer und unter mir die Häuser, die einmal Stoneytown gewesen waren. In der Morgensonne wirkte die Szenerie heiter und harmonisch. Links, am anderen Ufer, die schimmernden Dächer und Türme der Stadt, und auf dieser Seite des leuchtenden Flusses, ebenfalls links, aber unterhalb von mir, eine
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