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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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keinerlei Skrupel hatte, vielleicht zu laut zu sein? Wann hatte ich je vor Freude geschrien? Wann hatte ich schon einmal den Kopf zurückgeworfen und alleine lauthals gelacht? Ich freute mich richtig darauf, dieses Haus wieder herzurichten. Es machte mir Spaß, mich anzustrengen. Ich keuchte und ächzte. Mit Geschepper und Getöse wühlte ich mich durch die verrosteten Eimer und Töpfe, die hinten in der Küche auf dem Boden lagen. Bestimmt waren sie im Lauf der Jahre von ihren Haken heruntergefallen. Ich zerrte an der schweren Hintertür und quietschte vor Vergnügen, als sie sich mit dem gleichen Geräusch löste. Nichts konnte meinen Vormarsch aufhalten, nicht einmal das alte eiserne Wagenrad, mit dem die Holzplanken auf dem Brunnen gesichert waren.
    Die Planken selbst erwiesen sich allerdings als zu schwer für mich.
    Ich ließ mich auf den Boden sinken und setzte mich dann auf die mit Gras überwachsenen Steinplatten, lehnte mich an die Wand und wartete darauf, dass mein Körper aufhörte zu zittern. Die Mauersteine waren dort, wo sie nicht nach Südosten blickten, dicht mit Flechten überwachsen – blaugrün, silberweiß, blassgelb. Garantiert war die Luft hier absolut sauber. Nach Südosten hin waren die Steine so glatt, als wären sie erst heute Morgen frisch geschrubbt worden. Nun wusste ich also, woher der Wind wehte. Ich empfand eine kindliche Freude darüber, dass ich das herausgefunden hatte.
    Hier im Garten war es sehr friedlich, während auf der anderen Seite der Mauer die Wellen heiser flüsterten. Lächelnd aß ich die Hälfte der Schokolade, die ich mir mitgenommen hatte. Ich hatte immer Schokolade dabei, weil der Freund, mit dem ich vor
Leo zusammen gewesen war, ein Fitnessfanatiker war und mir glaubhaft versichert hatte, dass bei allen Menschen der Blutzucker plötzlich gefährlich absinken konnte und man deswegen immer Schokolade bei sich haben sollte, um dieses Tief auszugleichen.
    Als ich Min davon erzählte, fragte sie nur: »Tja, warum sind dann nicht alle gestorben?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine die Leute von früher, die noch gar keine Schokolade hatten – warum sind die nicht alle einfach tot umgefallen?«
    Ich versuchte, mich an das Gesicht dieses Mannes zu erinnern, aber mir fiel nur der Tag ein, als wir in Österreich eine Radtour an der Donau machten und unsere Trennung sich abzuzeichnen begann. Mein Freund weigerte sich, mit mir in das Konzentrationslager Mauthausen zu kommen. Wozu?, fragte er und fügte hinzu, dass es doch längst eine regelrechte Holocaust-Industrie gebe. Ich erwiderte – und ich erinnerte mich ganz genau daran, auch an das Zimmer mit den Rüschenvorhängen, in dem ich die Worte sagte -, ich könnte ja verstehen, dass er emotional zu träge sei, um diese Stätte des Grauens zu besuchen, und spirituell zu faul, um sich mit dem Bösen zu konfrontieren. Aber musste er auch intellektuell so bequem sein und die Klischees anderer Leute übernehmen, die mit dem Wort »Industrie« den Holocaust verharmlosen wollten?
    Kein Wunder, sagte ich zu mir, als ich wieder aufstand, um ins Haus zurückzugehen, dass du bei jemandem wie Leo gelandet bist. Leo redete so wenig, dass er mir gar keine Angriffsfläche bot, auf die ich mich stürzen könnte.
     
    Bis auf eine waren die vier Holzstufen zum Dachboden noch vollkommen intakt, und auch der Fußboden dort oben war fast unbeschädigt. Es gab nur eine Ecke, wo die Dielen etwas vermodert waren und man in den Raum darunter schauen konnte.
Man konnte den Speicher also durchaus gefahrlos betreten. An einem großen Nagel hing immer noch ein Spiegel zwischen den Balken, der vom Alter schon ganz milchig war. Riesige Girlanden aus grauen Spinnweben verbanden ihn mit dem eisernen Bettgestell. Die Spinnweben vibrierten, weil meine Bewegungen für Unruhe sorgten, deshalb blieb ich eine Weile reglos stehen, bis sie sich wieder beruhigten. Das Leben hatte unten um den Kaminherd herum stattgefunden, aber dieser Dachboden war durchaus auch daran beteiligt gewesen. Oben und unten waren nur durch eine Schicht Dielen getrennt. Bestimmt war es immer warm gewesen hier oben, zum einen durch die Herdwärme und auch, weil die steinernen Dachplatten durch Gips isoliert waren, den man schmucklos zwischen die Stützbalken gestrichen hatte. Hinter dem Bett, zwischen dem niedrigen letzten Balken und dem Fußboden, der von einer dicken Staubschicht bedeckt war, befand sich ebenfalls eine Gipsschicht. Und weil die Metallfedern weggerostet waren,

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