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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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außerdem benehmen sie sich schrecklich.«
    »Ich kann Heuchler nicht ausstehen«, erklärte ich. Jennifer sah, wie der Zorn in meinem Gesicht aufflammte.
    »Was ist?« fragte sie und hielt den Atem an.
    »Gehen wir«, kommandierte ich und marschierte aus dem Gemeinschaftsraum.
    »Wohin?« rief Jennifer, die mir folgte.
    »In Maries Zimmer«, fauchte ich, ohne auch nur eine Sekunde stehenzubleiben.
    »Aber… das ist doch peinlich. Sollten wir sie nicht einfach ignorieren? Ich meine…«
    »Jennifer Longstone, ich habe es satt, Dinge zu verdrängen, die mich unglücklich machen. Wenn ich diese Schule besuchen werde, muß ich hier als genau das akzeptiert werden, was ich bin, und keines dieser rotznäsigen Mädchen wird mich leiden lassen.«
    »Geh du voraus«, sagte Jennifer. »Es ist das letzte Zimmer rechts in diesem Korridor.«
    Wir marschierten weiter. Ich war jetzt aggressiv und nicht länger gewillt, mich demütig oder hilflos zu geben. Ich hielt den Kopf hoch erhoben und nahm eine stolze Haltung an, als wir uns Maries Zimmer näherten. Ich klopfte an. Das Grammophon wurde leiser geschaltet, und dann war Flüstern zu hören. Schließlich öffnete Marie ihre Tür.
    »Ich dachte, ich schaue mal vorbei und helfe dir bei den Vorbereitungen für deine Arbeit«, sagte ich. Ich ging an ihr vorbei. In dem Moment, in dem ich durch die Tür trat, senkte sich eine Totenstille über ihr Zimmer herab. Die Zigaretten glimmten, und im Zimmer war dichter Rauch. Ellen und Wendy saßen auf dem Fußboden und tranken Coca Cola, und Carla, Toby und Betsy lümmelten sich mit Modezeitschriften und Fanmagazinen auf dem Bett. Einen Moment lang sagte niemand ein Wort. Dann drehte ich mich zu Marie um.
    »Es tut mir leid, daß euch allen unangenehm ist, daß meine Eltern geschieden sind, aber es ist eine Dummheit von euch, mir die Schuld daran zu geben und Jennifer auch noch dafür büßen zu lassen, weil sie meine Zimmergenossin ist. Ich hatte gehofft, wir könnten uns alle anfreunden. Ich bin sicher, daß niemand in diesem Raum vollkommen ist oder eine blütenweiße Vergangenheit hat. Jedenfalls wollte ich euch allen klar machen, daß es euch nicht gelungen ist, mich zum Narren zu halten. Komm, Jennifer, wir gehen wieder.«
    »Wartet«, rief Marie. Sie warf einen schnellen Blick auf die anderen Mädchen. »Du hast recht. Es war nicht nett von uns.«
    Ich sah die anderen Mädchen an. Alle senkten ihre Blicke.
    »Bleib doch hier«, sagte Marie und lächelte strahlend.
    »Eigentlich wollte ich…«
    »Bitte«, unterbrach sie mich. »Möchtest du eine Zigarette?«
    »Ich habe noch nie geraucht«, sagte ich und starrte die Mädchen an.
    »Warum fängst du dann nicht jetzt damit an?« fragte Marie.
    »Schnell, Jen, mach die Tür zu, ehe die alte Thorndyke vorbeikommt. Ellen, leg die Platte wieder auf«, kommandierte sie.
    »Willkommen in unserem Privatclub«, sagte Marie.
    »Jedenfalls möchte ich dich bei deinem Temperament lieber auf unserer Seite als gegen uns haben. Stimmt’s, Mädchen?«
    Alle lachten. Ich sah Jennifer an. Auch sie strahlte über das ganze Gesicht.
    Wir blieben bis kurz vor elf und redeten über die Schule, über Musik und über Filme. Niemand wagte es, mir irgendwelche Fragen nach meinen Eltern zu stellen, obwohl sich Betsy Edwards jetzt daran erinnerte, daß sie und ihre Familie einmal eine Kreuzfahrt auf einem Dampfer der Van-Voreen-Gesellschaft unternommen hatten. Ich erzählte ihnen von meiner Reise nach Jamaika, und dann schlichen wir uns alle in unsere eigenen Zimmer zurück.
    Jennifer und ich legten uns ins Bett und redeten bis nach zwölf miteinander. Sie erzählte mir von dem Tag, an dem ihr Vater gestorben war, und wie leer und einsam sie sich damals gefühlt hatte. All das erinnerte mich sehr an den Tag, an dem ich erfahren hatte, daß meine Eltern sich scheiden lassen würden. Schließlich konnte ich die Augen einfach nicht mehr offen halten.
    »Ich muß jetzt dringend schlafen, Jen.«
    »Du hast recht. Das war einfach großartig, wie du an Maries Tür geklopft und es ihnen allen einmal gezeigt hast. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, so etwas früher schon einmal zu tun. Was hat dich bloß so tapfer gemacht?«
    »Ich bin nicht tapfer«, widersprach ich.
    »O doch, das bist du«, beharrte Jennifer. »Du bist das mutigste Mädchen, das ich kenne.«
    Am nächsten Tag kam Miß Mallory während des Mittagessens in den Speisesaal, weil sie mich suchte.
    »Mr. Tatterton ist hier, meine Liebe«, kündigte

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