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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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drängte Mama, und ich lief neben ihr her, als wir an einem riesigen Wohnzimmer vorbeikamen. Mein Blick fiel auf einen Konzertflügel. Wir blieben in der Tür des Musikzimmers stehen, und ich sah zu der Kuppeldecke auf, die sich über uns wölbte. Über einer hohen Leiter hingen Gerüste genau an der Stelle, an der das Gemälde noch beendet werden mußte.
    Bisher hatte Mama einen leuchtendblauen Himmel gemalt, an dem Schwalben und Tauben flogen. In der Mitte saß ein Mann auf einem fliegenden Teppich, und direkt vor ihm lag ein geheimnisvolles Luftschloß, das teils von Wolken verborgen war, doch es war erst skizziert und mußte noch gemalt werden.
    Ich sah mir die Gemälde an den Wänden an und erkannte manche Darstellungen, da es sich um Bilder handelte, mit denen sie verschiedene Kinderbücher illustriert hatte. Die gegenüberliegende Wand wurde ganz und gar von einem schattigen Wald eingenommen, in den die Sonnenstrahlen einfielen. Gewundene Pfade führten zu dunstverhangenen Bergketten, auf denen Schlösser thronten.
    »Was meinst du dazu?« fragte sie leise.
    »O Mama, es ist wunderschön, einfach wunderschön. Ich bin begeistert.«
    Ich war derart verzaubert von den Gemälden an den Wänden und an der Decke, daß ich den Mann gar nicht bemerkt hatte, der auf dem kleinen Sofa mit dem kunstvoll geschnitzten Gestell saß. Das Sofa war der Tür zugewandt, und er hatte uns beide angesehen, während ich mich langsam im Kreis gedreht und den Atem angehalten, die Augen weit aufgerissen und ehrfürchtig gestaunt hatte.
    »Oh«, sagte ich und trat einen Schritt näher zu Mama.
    Unwillkürlich errötete ich vor Verlegenheit.
    Der gutaussehende Mann mit den leuchtendsten blauen Augen, die ich je gesehen hatte, lachte. Er trug eine Smokingjacke aus burgunderfarbenem Samt und eine dunkle Hose und hatte schimmerndes dunkelbraunes Haar. Seine Lippen waren voll, und selbst ich konnte erkennen, daß sie mehr als nur eine Spur sinnlich waren, und sein Gesicht war so gebräunt wie das eines Filmstars. Ich fand, daß von ihm eine Aura von Eleganz und Berühmtheit ausging.
    Als er aufstand, sah ich, daß er kräftig war und breite Schultern hatte. Er war groß, vielleicht zwei bis drei Zentimeter größer als Daddy, und er hatte lange, schmale Hände, die graziös wirkten. Er strahlte Macht aus, aber auch ein Selbstvertrauen und eine Sicherheit, die er in seinen jungen Jahren kaum besitzen konnte.
    »Verzeihen Sie mir«, sagte er, »aber ich mußte Sie beide einen Moment lang ungehindert anschauen. Es steht außer Frage, daß das Ihre Tochter ist, Jillian. Sie hat die joie de vivre von Ihnen geerbt, aber auch das überschwengliche Funkeln in den Augen.« Ich sah Mama an, um herauszufinden, wie sie auf derart verschwenderische Komplimente reagierte. Sie schien aufzublühen wie eine Blume im warmen Sommerregen.
    »Willkommen auf Farthy.«
    »Das ist Mr. Tatterton, Leigh«, stellte Mama vor, ohne ihn aus den Augen zu lasen.
    »Mr. Tatterton?« Ich war erstaunt. So, wie Mama über ihn gesprochen hatte, war ich davon ausgegangen, daß er ein wesentlich älterer grauhaariger Mann war. Ich dachte, alle Millionäre sähen so wie die Männer in unseren Geschichtsbüchern aus: die Rockefellers und Carnegies oder auch die Ölkönige – verknöcherte alte Männer, die sich für nichts anderes als die Wall Street, Kartelle und Monopole interessierten.
    Ich sah Mama an, und aus ihrem heiteren Strahlen konnte ich schließen, daß sie über meine Reaktion belustigt war und daß sie Tony Tatterton sehr gern hatte.
    »Guten Tag, Mr. Tatterton«, sagte ich.
    »Ach, bitte, nennen Sie mich Tony. So, und wie gefällt Ihnen die Arbeit Ihrer Mutter?« fragte er und beschrieb mit einer ausholenden Geste die Decke und die Wände.
    »Einfach wunderbar. Ich bin ganz begeistert!«
    »Ja.« Er wandte sich wieder zu mir um und musterte mich mit einem scharfen, durchdringenden Blick, der mein Herz schneller schlagen und Glut in meinen Nacken aufsteigen ließ.
    Ich hoffte, daß ich keine nervösen Flecken bekam. Die kleinste Aufregung konnte bei mir einen Ausschlag nach sich ziehen.
    »Ich bin auch ganz begeistert«, stimmte Tony zu, »und ich bin Mrs. Deveroe unendlich dankbar dafür, daß sie Ihre Mutter mitgebracht hat. So«, sagte er und schlug die Hände zusammen. »Fangen wir doch mit dem Wesentlichen an. Ich bin sicher, daß Sie sich jetzt auf Farthy umsehen wollen.«
    »Ich auch«, hörte ich ein zartes Stimmchen rufen, und als ich mich umdrehte, sah ich

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