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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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vor seiner Abreise noch einmal treffen zu können, aber ich konnte ihn einfach nicht sehen. Wenn er mir ins Gesicht geschaut hätte, hätte er genau gewußt, was passiert war, und er hätte mich dafür gehaßt, das wußte ich ganz genau.
    Ich fand Trost in meiner Einsamkeit. Es stellte sich heraus, daß die Natur mir die Mutter und der Vater war, die ich nicht mehr hatte, und sie linderte meine Schmerzen, streichelte mich mit ihren warmen Winden und erfüllte mich mit einem Gefühl von Geborgenheit, das ich in dem großen Haus mit seinen dunklen Winkeln und den riesigen Räumen nicht finden konnte.
    Wenn ich Spaziergänge mit Troy unternahm, ließ ich ihn immer vorauslaufen und lauschte seinem kindlichen Plappern, und dabei hörte ich nicht so sehr die Worte wie seine unschuldige, glückliche Stimme. Ich saß gern mit ihm da und schaute aufs Meer und beantwortete seine Fragen, während ich ihm über das weiche Haar strich. Auf gewisse Weise wünschte ich mir, wieder in seiner Welt zu sein, einer kindlichen Welt, der Welt von Puppen, Spielsachen und Zuckerstangen, einer Welt ohne bittere Wahrheiten. Dort konnten sämtliche Schreckgespenster von einer herzlichen Umarmung, einem zarten, tröstlichen Kuß oder einem Versprechen für den morgigen Tag verscheucht werden.
    Mama tauchte wieder ins gesellschaftliche Leben ein, besuchte ihre nachmittäglichen Bridgeclubs, sah sich in Boston Theaterstücke an und erledigte ihre Einkäufe. Sie bewirtete beim Abendessen wohlhabende Bekannte oder ließ sich von ihnen zum Essen einladen. Bei verschiedenen Gelegenheiten versuchte sie, mich zum Mitkommen zu überreden. Sie behauptete, ihr ginge es darum, mich mit den Söhnen und Töchtern der Oberschicht zusammenzubringen, aber ich lehnte jedesmal ab.
    Tony hielt Abstand, sprach kaum mit mir und vermied es sogar, mich anzusehen, insbesondere, wenn meine Mutter dabei war.
    Zu Beginn der dritten Juliwoche erklärte er dann, daß er eine kurze Geschäftsreise nach Europa unternehmen mußte. Mama gab ihm eine ganze Liste mit, auf der stand, was er ihr wo besorgen sollte. Er kündigte an, daß er auch für mich nach etwas Besonderem Ausschau halten wollte, aber ich erwiderte nichts darauf.
    Wenige Tage später rief Daddy aus Houston, Texas, an. Er war auf dem Rückweg zur Ostküste und wollte ein Treffen mit mir vereinbaren. Ich hatte ihm immer wieder geschrieben und versucht, ihn dazu zu veranlassen, daß er mich anrief oder mir schrieb, aber er hatte bis jetzt nicht darauf reagiert.
    »Ich war viel unterwegs, Prinzessin«, erklärte er. »Deine Briefe haben mich wohl alle um einen oder zwei Tage verfehlt.
    Ist alles in Ordnung?«
    »Nein, Daddy. Ich muß dich unbedingt sehen«, sagte ich verzweifelt. Er verstummte einen Moment lang am anderen Ende der Leitung.
    »Was ist los?« fragte er.
    »Ich kann am Telefon nicht darüber reden, aber ich muß dich unbedingt sprechen. Es muß wirklich sein«, betonte ich.
    »Deine Mutter kann dir nicht weiterhelfen?«
    »Sie… nein, sie kann mir nicht weiterhelfen«, erwiderte ich.
    Meine Stimme klang brüchig und ernst.
    »Gut. Ich rufe dich an, sobald ich in Boston bin, und dann werden wir alle zusammen essen gehen. Ich müßte übermorgen ankommen.«
    »Daddy, ich möchte dich allein treffen«, flehte ich.
    »Leigh, ich bin jetzt verheiratet, und Mildred hat an allem in meinem Leben teil. Sie möchte es so haben. Sie ist sehr ärgerlich, wenn ich sie von etwas ausschließe, und sie möchte dich doch so gern besser kennenlernen. Kannst du denn nicht vergessen, daß wir so plötzlich geheiratet haben, und ihr eine Chance geben?« bat er mich.
    »Darum geht es diesmal nicht, Daddy. Ich… muß ganz persönliche Dinge mit dir besprechen.«
    »Mildred hat auch an meinem Privatleben teil, Leigh«, beharrte er. Wieder einmal war Daddy Wachs in den Händen einer Frau, dachte ich.
    »In Ordnung, Daddy. Ruf mich an, sobald du ankommst«, gab ich nach. Ich hatte keine andere Wahl, und es gab niemanden sonst, an den ich mich wenden konnte.
    »Abgemacht. Bis bald, Prinzessin«, sagte er und legte auf.
    Das Wissen, daß Daddy übermorgen kommen würde, gab mir Auftrieb. Wenn ich ihm erst erzählt hatte, was mir zugestoßen war, mußte er verlangen, daß ich bei ihm blieb.
    Zum ersten Mal, seit Tony mir Gewalt angetan hatte, war ich fröhlich und lebhaft. Ich planschte im Schwimmbecken herum, ritt im Galopp und nahm Troy zu einem langen Spaziergang mit, um Muscheln zu sammeln. Ich hatte mehr Appetit als die

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