Dunkle Umarmung
schnell an seinen Urlaubsort, genießt den Aufenthalt und kehrt rechtzeitig zurück, um die wesentlichen Dinge mitzuerleben, die sich zu Hause abspielen. Jedenfalls«, sagte sie und beruhigte sich ein wenig, »kann ich es dir gar nicht oft genug sagen – heirate niemals einen Mann, der Sklave seines Geschäftes ist, ganz gleich, wie reich er auch ist oder wie gut er auch aussehen mag. Du hast an erster Stelle zu stehen, selbst wenn das heißt, daß er da und dort ein wenig Geld einbüßen muß.«
»Aber…« Sie hatte gerade darüber geklagt, nicht reich genug zu sein, dachte ich, und jetzt war sie bereit, Geld einzubüßen.
Aber sie störte sich nicht an ihren eigenen Widersprüchen.
»Der geschickte Chef hat Leute, denen er jede wirkliche Arbeit anvertrauen kann«, fuhr sie fort und zog sich die Decke bis ans Kinn. »Nicht so dein Vater. Dein Vater ist nichts weiter als ein Bauer, der sich wie ein Reicher kleidet. Ich will jetzt die Augen zumachen und mir einbilden, ich sei nicht hier, Leigh.
Geh nach oben, aber mach dich nicht wieder an mechanischen Dingen zu schaffen, und geh auch nicht mehr in den Maschinenraum.«
»Ja, Mama. Wenn du dich wieder besser fühlst, kommst du dann heute abend zum Abendessen? Es ist ein ganz besonderes Abendessen, weil wir morgen in Jamaika ankommen«, sagte ich.
»Gott sei Dank. Mal sehen. Falls ich mich besser fühle«, murmelte sie ohne jede Begeisterung.
Sie kam wirklich nicht aus der Suite, bis wir in die Montego Bay einliefen und Daddy nach unten ging, um ihr anzukündigen, daß wir angekommen waren. Es war ein strahlender Tag, und überall erklang Musik. Ich war auf dem oberen Deck und spielte mit zwei Mädchen, die ich auf dem Schiff kennengelernt hatte, Tischtennis, den Spenser-Schwestern, Clara und Melanie. Beide waren etwa in meinem Alter. Ich wußte nicht, was sich zwischen Mama und Daddy abspielte, aber das nächste, was ich mitkriegte, war, daß die Träger Mamas Gepäck vom Schiff brachten und zu einem Taxi trugen, das bereitstand.
Ich sah ungläubig zu. Es war nicht vorgesehen, daß wir hier in ein Hotel zogen. Das Schiff sollte drei Tage und Nächte im Hafen vor Anker liegen.
Daddy machte mir ein Zeichen, damit ich zu ihm kam.
»Deine Mutter möchte dich sehen«, sagte er. Er wirkte so müde und deprimiert, und seine traurigen, unglücklichen Augen hatte er niedergeschlagen. Mir wurde schon wieder flau im Magen, aber diesmal war es schon fast ein Aufruhr in meinem Innern. Ich hatte Angst, mir könnte schlecht werden.
Ich ging in die Suite meiner Eltern. Mama trug eine ihrer olivgrünen Kombinationen aus Seide, dazu eine Anstecknadel mit einem Maiglöckchen auf dem Oberteil, einen Seidenschal und passende Seidenhandschuhe. Sie hatte sich das Haar aus dem Gesicht zurückgebürstet und setzte in dem Moment, in dem sie sich zu mir umdrehte, ihren eierschalfarbenen Glockenhut auf. Die Suite duftete nach ihrem Jasminparfüm.
Jede Blässe und jeder Trübsinn waren aus ihrem Gesicht gewichen. Ihre Wangen waren rosig, ihre Lippen leuchteten.
Sie hatte sich stark geschminkt und sogar ihre Wimpern dunkel gefärbt. Es war eine wundersame Genesung, und sie erfüllte mich mit Angst und Schrecken.
»Leigh«, verkündete sie, als ihr Blick auf mich fiel. »Ich habe einen Entschluß gefaßt. Ich mache mich auf den Rückweg nach Boston.« Ihre Worte trafen mich wie Donnerschläge, und mein Herz wurde bleischwer in meiner Brust.
»Auf den Rückweg? Aber wie, Mama?«
»Ich habe den Schiffskapitän gebeten, sich nach dem Flugplan zu erkundigen, und er hat einen Flug nach Miami, Florida, gefunden. Von dort aus werde ich dann einen Anschlußflug nach Boston nehmen.«
»Aber, Mama, was ist mit unserem Aufenthalt in Jamaika?«
Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Offensichtlich hatte sie Reisepläne geschmiedet, während ich glaubte, daß sie krank sei. »Warum tust du das bloß?« rief ich aus, denn ich war nicht in der Lage, meine Enttäuschung zu verbergen.
»Es hat sich herausgestellt, daß das hier alles andere als ein Urlaub für mich ist, Leigh. Wie du weißt, habe ich nicht einen Moment lang Spaß daran gehabt.« Sie zog ihre Handschuhe zurecht. Offensichtlich war sie entschlossen, das Schiff stilvoll zu verlassen, da sie wußte, daß viele Leute sie ansehen und sich fragen würden, was hier geschah, denn schließlich war sie die Frau des Eigners.
»Aber, Mama, wir liegen jetzt im Hafen. Wir fahren nicht.
Du wirst nicht seekrank werden.«
»Und was ist
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