Dunkle Umarmung
muß sich die Hand vor die Augen halten oder sie ganz schließen, und wenn man das tut, sieht man nur noch das, was man sehen möchte. Bist du schon alt genug, um zu verstehen, was ich sage, Leigh?« fragte er.
Ich nickte. Daddy und ich führten nur sehr selten solche ernsthaften Erwachsenengespräche. Wenn er ansetzte, mir etwas wirklich Ernstes zu erzählen, unterbrach er sich normalerweise gleich wieder und sagte: »Ach ja, ich nehme an, das wird dir deine Mutter bald erzählen.«
»Vielleicht verstehst du es wirklich«, sagte er lächelnd. »Ich glaube, du bist viel klüger, als deine Mutter und ich annehmen.«
»Aber, Daddy, was hat all das mit dem zu tun, was im Moment geschieht?«
»Nun, wie ich schon sagte, deine Mutter war noch sehr jung.
Sie ist natürlich schnell herangereift, aber ich war auf meine Art schon ziemlich festgelegt. Wenn ein Mann sich erst einmal festgelegt hat, fällt es ihm schwer, sich zu ändern, wenn es ihm nicht sogar unmöglich ist. Als deine Mutter älter wurde, wollte sie, daß ich mich ändere, in vieler Hinsicht ein anderer Mensch werde. Ich habe es versucht, aber ich fürchte, das liegt nicht in meiner Natur, und das hat deine Mutter sehr unglücklich gemacht.«
»Wie solltest du dich ändern, Daddy?«
»Wie? Nun, zum Beispiel würde sie sich wünschen, daß ich sie auf eine dieser Kreuzfahrten mitnehme und mich wie einer der Passagiere benehme… jeden Tag lang schlafe, esse und mich dann an Deck räkle oder Bordspiele spiele. Am Abend müßte ich sie zum Tanzen ausführen und die ganze Nacht mit ihr durchtanzen, Champagner trinken und dann wieder lang schlafen. Wenn es nach ihr ginge, dürfte ich mich gar nicht um mein Geschäft kümmern.« Er lächelte. »Manchmal kann sie so kindlich sein, so begierig auf ihren Spaß und jedes Abenteuer.
Ich habe nie eine andere Frau gesehen, die so versessen auf ihren Genuß und ihr Vergnügen ist. Ich könnte ihr gar nicht genug Diamanten schenken oder sie in zu viele feine Restaurants führen. Sie ist unersättlich. O ja, ich kann sie verstehen. Deine Mutter ist jung, schön und lebenslustig. Aber ich bin ein vielbeschäftigter Mann und habe keine Zeit für Unfug. Deshalb ist deine Mutter von mir enttäuscht.«
Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sobald die erste Träne floß, stand Daddy auf und kam zu mir.
»Das möchte ich jetzt aber wirklich nicht sehen, Leigh. Ich könnte sonst bereuen, daß ich mich mit dir wie mit einer Erwachsenen unterhalten habe.«
Ich wischte mir eilig über die Augen. Das Herz tat mir weh, aber ich lächelte. »Und was wird jetzt, Daddy?« fragte ich.
»Das werden wir sehen. Deine Mutter wollte eine Zeitlang allein sein, um in Ruhe nachdenken zu können. Bis dahin haben wir beide eine Kreuzfahrt zu organisieren, verstanden?«
»Ja, Daddy.«
»So, und hier ist mein erstes Kommando. Du wirst mit deinen Freundinnen und ihren Eltern zum Essen gehen und es dir gutgehen lassen.«
»Aber was ist, wenn sie anfangen, mir Fragen nach Mama zu stellen?« fragte ich.
Er dachte einen Moment lang nach. »Dann sagst du, zu Hause seien dringende Familienangelegenheiten zu erledigen.
Dann wird dir niemand weitere Fragen stellen. So«, sagte er und schlug die Hände zusammen, »das sollte damit erledigt sein. Morgen kannst du im Basar einkaufen gehen und für all deine Freundinnen zu Hause ein Mitbringsel kaufen, wenn du möchtest. Am Nachmittag kannst du an den Strand gehen und schwimmen, und am Abend werden wir beide in ein typisches jamaikanisches Restaurant gehen und die Spezialität ausprobieren – ein Huhn, das luftgetrocknet ist. Was hältst du davon?«
»Das klingt wunderbar, Daddy.«
»Gut. Und jetzt lauf los. Ich will hinterher einen vollständigen Bericht von dir hören. Wie geht es deinem Logbuch? Wird es schon voller?«
»O ja, ich schreibe täglich etwas hinein.«
»Gut.« Er gab mir einen Kuß auf die Wange, und ich drückte ihn fest an mich und atmete die vertrauten Gerüche ein – den Duft seines Rasierwassers, das Aroma seines Pfeifentabaks und diesen frischen und sauberen Geruch nach Meer.
Ich wünschte, er und ich hätten öfter Gespräche miteinander geführt. In gewisser Hinsicht hatte Mama allzu recht, wenn sie eifersüchtig auf die Zeit war, die er mit seinen Geschäften verbrachte. Ich wünschte, er hätte mehr Zeit mit mir verbracht und mir von seiner Kindheit erzählt. Mir wurde klar, daß er mir nie wirklich seine Version der Aschenbrödelgeschichte zwischen ihm
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