Dunkle Umarmung
im Kreis.
»Schöner als jede andere.«
»O Liebling, ich danke dir. Du siehst auch gut aus. Wir werden die Blicke aller auf uns ziehen«, fügte sie noch hinzu, und dann gingen wir zu der bereitstehenden Limousine.
Auf der Fahrt nach Farthy erzählte sie mir von einigen von Tonys Freunden, die sie schon kennengelernt hatte. Im wesentlichen schien es bei diesen Leuten darum zu gehen, in welcher Branche sie tätig waren oder welchen Beruf sie ausübten.
»Und warte nur, bis du erst ihre Frauen siehst«, sagte sie.
»Bei all ihrem Reichtum und ihrem gesellschaftlichen Rang wissen sie doch nicht allzuviel über Mode und Make-up. Wir beide, du und ich, wir werden uns gegen sie absetzen wie…
wie Rosen in einem Mistbeet.« Sie kicherte und drückte mich an sich. Wenn ich auch noch so traurig war, ein Erntedankfest ohne Daddy feiern zu müssen, so faszinierte mich doch, wie Mama mit mir sprach. Sie gab sich eher wie meine größere Schwester und nicht wie meine Mutter. Ich hatte, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben, das Gefühl, daß sie mich wie ihre engste Freundin behandelte.
»Du brauchst nicht nervös zu sein, bloß weil diese Menschen so viel Geld haben. Du wirst sehen, daß sie im gesellschaftlichen Umgang gar nicht so geschickt sind. Wenn sie dir eine Frage stellen, dann antworte höflich, aber gib ihnen nicht mehr Informationen, als unbedingt erforderlich ist.
Männer wissen Frauen zu schätzen, die an einem Eßtisch nicht übermäßig gesprächig und geschwätzig sind. Männern gefällt es, wenn sie mit ihren Gesprächen über Politik und Geschäfte im Vordergrund stehen.«
»Aber Daddy war nie so.« Der arme Daddy, dachte ich, der jetzt keine Familie um sich hatte, auf einem seiner Schiffe draußen auf dem Meer war und das Erntedankfest mit Fremden feiern mußte.
»Schau nicht so traurig«, riet mir Mama. »Du bist viel hübscher, wenn du lächelst.«
Mrs. Deveroe und ihr Mann und die Darrows waren schon da, als wir eintrafen. Alle sagten, Mama und ich sähen wie Schwestern aus. Mit ihren Komplimenten und ihren beifälligen Blicken gaben mir die Männer das Gefühl, sehr erwachsen zu sein, und Mama betrat das riesige Haus, als sei sie die Königin, deren Eintreffen erwartet wurde. Überall standen Dienstboten herum, die nur darauf warteten, ihrem Geheiß Folge zu leisten
– ihr und mir die Garderobe abzunehmen, uns ins Musikzimmer zu führen, in dem sich die anderen Gäste bereits versammelt hatten, und uns Champagnerpunsch zu besorgen.
»Jillian! Endlich bist du da!« rief Tony aus und kam eilig auf uns zu, um uns zu begrüßen. Er nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen, und seine blauen Augen glühten vor Liebe und Bewunderung. »Du bist ganz zweifellos die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Ich glaube nicht, daß es mir je langweilig wird, dir das zu sagen.« Ich hatte den ganzen Vormittag daran gedacht, wie sehr ich Tony haßte, doch jetzt fühlte ich mich elektrisiert, und Wärme strömte durch meinen Körper. Ich hatte etwas derart Romantisches noch nie aus solcher Nähe miterlebt. Es war, als sei ich in einen Film geraten, und ich konnte meine Blicke nicht von den beiden losreißen. Das gelang niemandem im ganzen Raum. Lange herrschte Schweigen, als stießen alle einen Seufzer aus, und dann brach die Unterhaltung wieder los. Tony wandte mir seine himmelblauen Augen zu.
»Und du, Leigh, du siehst auch ganz wunderbar aus. Es freut mich so sehr, euch beide hier zu haben. Farthinggale Manor wird in einem bislang nie gekannten Glanz erstrahlen.« Er hängte sich bei uns beiden ein, aber ich blieb stocksteif stehen und bemühte mich, ihn kaum zu berühren. Ich hoffte, daß es mir gelingen würde, ihn zu verletzen.
Der kleine Troy saß auf einem riesigen Polstersessel in der Ecke, und seine Beine baumelten vom Sitzpolster. Er wirkte hilflos und verloren, aber er sah in seinem winzigen Smoking mit der schwarzen Krawatte süß aus. Sowie er mich sah, strahlte er.
»Hallo, Troy. Alles Gute zum Erntedankfest.« Ich schüttelte ihm die kleine Hand.
»Hallo. Tony sagt, du wirst jetzt herkommen und hier leben und meine große Schwester sein. Stimmt das? Ist das wirklich wahr?« Seine Begeisterung entlockte mir ein Lächeln, obwohl die Worte, die er sagte, noch ganz fremd und erschreckend für mich waren.
»Ja, es sieht ganz so aus, Troy.«
»Schön. Ich muß dir nämlich noch so viel zeigen«, sagte er,
»geheime Dinge«, fügte er flüsternd hinzu und sah sich um, um
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