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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Wirklichkeit gar nicht mein Vater war? Ein anderer Mann hatte Mama geschwängert, und Daddy hatte sie geheiratet, ohne es zu wissen? Wer war ich? Was für ein gräßliches Geheimnis hatte sie vor Daddy und mir gehabt?
    »Warum sollten sie diese Dinge erfahren?« sagte Mama mit matter Stimme.
    »Das dachte ich mir.« Ich konnte mir ausmalen, wie Großmama Janas Blicke sich in Mamas Gesicht bohrten.
    »Weiß dieser Tony Tatterton, wie alt du wirklich bist?«
    »Nein«, sagte Mama kleinlaut. »Und sag es ihm bitte nicht.
    Mach mir das nicht kaputt.«
    »Ekelerregend. Schon wieder ein Leben, das auf lauter Lügen aufbaut. Ich würde am liebsten auf der Stelle kehrtmachen und auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause fahren, aber ich bin wegen Leigh gekommen, und ihretwegen werde ich auch bleiben. Das arme Kind, das von seiner egoistischen, eitlen, dummen Mutter herumgeschubst wird und all das mitmachen muß!«
    »Das ist nicht fair!« rief Mama aus. »Ich habe getan, was ich konnte, um ihr ein schönes Leben zu bieten, viel schöner, als es mein eigenes armseliges Leben je gewesen ist. Jetzt wird sie wie eine Prinzessin leben und die angesehensten Schulen besuchen und in der besten Gesellschaft verkehren, und all das hat sie nur mir zu verdanken, meiner Schönheit und dem, was sie bei einem Mann erreichen kann.«
    »Das alles wird kein gutes Ende nehmen«, sagte Großmama Jana mit Grabesstimme voraus. »Denk an meine Worte. Du bist eine Sünderin, Jillian!« zischte sie. »Und was noch schlimmer ist, du bist eine dümmere Sünderin, als ich es je für möglich gehalten hätte!«
    »Nun, jedenfalls ist alles geregelt und beschlossen, und du kannst nichts mehr dagegen tun. Du kannst dich nicht mehr in mein Leben einmischen, wie du es in Texas getan hast, und ich lasse nicht zu, daß du alles schlechtmachst. Es wird die wunderbarste Hochzeit und vielleicht sogar das bedeutendste gesellschaftliche Ereignis des ganzen Jahres in New England werden.«
    »Pah«, machte Großmama Jana.
    Mama begann, die Pläne für ihre Hochzeit näher auszuführen. Ich stand langsam von der Bank auf und hatte wahrscheinlich Ähnlichkeit mit einer Schlafwandlerin, als ich die Treppe hinaufstieg, immer noch mit vor der Brust verschränkten Armen.
    Darüber konnte ich mit Daddy niemals reden, dachte ich. Ich würde ihm niemals das Herz brechen, und mir war ganz gleich, was die Wahrheit war und was nicht – in meinen Gedanken und in meinem Herzen würde er immer mein Daddy bleiben.
    Aber Mama – all diese Lügen, all diese erfundenen Geschichten. Es war, als platzten um mich herum Seifenblasen, als zersplitterten Lichter, als sinke Nebel herunter, und meine ganze Welt brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Wie Großmama Jana gesagt hatte; ein Leben aus lauter Lügen.
    Und Mama lebte die größte Lüge von allen. Ihr Rat stieß mir wie saure Milch auf. Ich konnte ihr Gesicht noch vor mir sehen, als sie es gesagt hatte, und sie hatte die Maske der Aufrichtigkeit getragen, die Maske geheuchelter Aufrichtigkeit.
    »Merk dir eins, Leigh: Anständige Mädchen kennen ihre Grenzen. Sie machen nicht alles mit, jedenfalls nicht, solange sie nicht verheiratet sind. Versprich mir, daß du das nicht vergessen wirst.«
    Ich werde es nicht vergessen, Mama.
    Ich drehte mich auf dem oberen Treppenabsatz um. Ich hätte es am liebsten laut herausgeschrien, ihr zu verstehen gegeben, daß ich alles mitangehört hatte.
    9. KAPITEL

    BRAUTMARSCH

    Mama erfuhr nicht von mir, daß ich das Gespräch belauscht hatte, doch jedesmal, wenn ich sie jetzt ansah, sah ich nicht mehr meine Mutter in ihr. Es war fast so, als sei meine echte Mama fortgegangen und hätte dieses Ebenbild zurückgelassen, diese Frau, die Mamas Haar und Mamas Augen und Mamas wundervolle Haut hatte, aber innerlich hohl war.
    Die meiste Zeit verging ohnehin damit, die letzten Einzelheiten der Hochzeit zu besprechen. Das war eigentlich alles, worüber wir redeten. Großmama Jana wurde in die Gespräche mit einbezogen, weil Mama so klug war, sie in diesem oder jenem Punkt nach ihrer Meinung zu fragen. Und dann ließ Großmama Jana sich von Farthy mit seinen Zauberkräften und seinem mystischen Schleier überwältigen.
    Wenn es ihr auch noch so wenig paßte, daß Mama Daddy verlassen hatte und einen soviel jüngeren Mann heiratete, war Großmama Jana doch beeindruckt. Die Weitläufigkeit und die Pracht von Farthinggale Manor verschlugen ihr den Atem. Als wir durch die Tore fuhren, stand ein Ausdruck des

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