Dunkle Umarmung
hinzu und holte tief Luft. Dann wandte sie sich ab, als sei das alles, was es dazu zu sagen gab, und befaßte sich wieder mit ihren Hochzeitsvorbereitungen.
Ich lehnte mich bestürzt zurück. Alle diese Veränderungen, mit denen ich überrumpelt wurde – ich mußte Weihnachten und Neujahr allein auf Farthy verbringen, ich sollte in eine Mädchenschule gehen, ein Internat, und mir neue Freundinnen suchen. Mein Leben wurde wirklich auf den Kopf gestellt. Ich hätte es vorhersehen müssen, dachte ich. Mir hätte klarsein müssen, daß es zu allen diesen Veränderungen kommen würde, aber ich verschloß immer noch die Augen vor der Realität und träumte, daß alles wieder so werden würde, wie es früher einmal gewesen war. Aber jetzt plötzlich platzten meine Träume wie Luftballons. Und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
Als wir unser Stadthaus in Boston erreichten, war ich noch trauriger und niedergeschlagener als bisher. Da Daddy sehr oft fort war und wir jetzt endgültig auszogen, mußten unsere Hausangestellten gehen. Besonders gern hatte ich Clarence und Svenson, und die beiden mochten mich. Sie waren bei uns gewesen, soweit ich zurückdenken konnte. Es konnte gut ein, daß wir uns heute zum letztenmal sahen.
Ich freute mich jedoch, als ich hörte, daß Daddy sie auf einem seiner Schiffe beschäftigen würde. Ein guter Koch wurde auf einem Ozeandampfer immer gebraucht, und da der Butler ein hervorragender Hausangestellter war, würde er dem Kapitän des Schiffes zugeteilt werden.
Ich war glücklich, einen Brief von Daddy vorzufinden. Er war gerade erst von den Kanarischen Inseln gekommen.
Clarence brachte ihn mir kurz nach unserem Eintreffen in mein Schlafzimmer. Ich konnte seinem Gesicht ansehen, daß er Mama nichts davon erzählt hatte. Vielleicht hatte er diesbezügliche Anweisungen von Daddy bekommen. Es gefiel mir nicht, Geheimnisse vor Mama zu haben, aber ich dachte, vielleicht sei es besser so. Dann brauchte sie sich keine Vorwürfe zu machen.
Ich riß das Kuvert eilig auf und las den Brief.
Liebste Leigh,
ich hoffe, es geht Dir gut, wenn Du diesen Brief bekommst. Ich weiß, daß Du nicht glücklich sein kannst, weil Dein Leben so durcheinandergeraten ist, aber ich hoffe, daß sich bei Dir alles ein wenig beruhigt hat und daß Du Dich mit der Zeit wieder zurechtfindest. Ich werde natürlich alles tun, um dazu beizutragen.
Meine Reise auf die Kanarischen Inseln ist ereignislos verlaufen. Es ist jedoch wunderschön dort, und ich bin froh, daß ich mich überreden ließ, dieses Ausflugsziel in Betracht zu ziehen. Es ist ganz entschieden eine blendende Ergänzung zu unseren bisherigen Routen.
Wir werden in Kürze von hier aufbrechen und nach Miami-Florida weiterreisen, und dort werde ich mich mit Reiseexperten zusammensetzen, um meine Karibikkreuzfahrten auszuarbeiten. Es sieht so aus, als sei ich an den Feiertagen dort, aber ich werde Dich an Silvester in Deinem neuen Zuhause anrufen.
Ja, Leigh, ich weiß von den Plänen Deiner Mutter. Ihre Wiederverheiratung gehört zu den Dingen, die wir miteinander besprochen haben, als sie in mein Büro gekommen ist und Dich aufgefordert hat, uns allein zu lassen. Ich wußte, daß Dir das nur noch mehr Kummer bereitet, und deshalb wollte ich nicht mit Dir darüber reden. Vielleicht wird Deine Mutter jetzt das Glück finden, das sie sich erträumt. Sie hat mir auch von ihrem Vorhaben erzählt, Dich in eine der besten Privatschulen im Osten zu schicken. Das Wissen, daß Du zumindest in den Genuß aller materiellen Vorzüge kommst, die diese Welt zu bieten hat, ist mir eine Beruhigung.
Ich verspreche Dir, Dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu besuchen. Eine Zeitlang habe ich mich allerdings gern in meiner Arbeit vergraben. Das hat mir dabei geholfen, über diese Tragödie hinwegzukommen.
Jetzt bist Du das einzig Zarte und Schöne, was mir im Leben geblieben ist. Ich möchte nichts schreiben, was Dich zum Weinen bringt, also mach die Luken dicht, und erwarte die Rückkehr meines Schiffes.
Ich verspreche Dir, daß es zurückkommen wird.
Alles Liebe
Daddy
Ich war tief erschüttert. Ich hielt die Tränen zurück und schluckte die Schreie, die sich meiner Kehle entringen wollten.
Daddy wollte nicht, daß ich weinte; er wollte nicht, daß sein Brief mich traurig machte und verwirrte, aber es war so hart, seine Worte zu lesen, ohne seine Stimme zu hören und seinen grauen Bart, seine rosigen Wangen und seine Augen zu sehen, in denen Stolz und Liebe
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