Dunkle Umarmung
Hausangestellter und anderer Bediensteter aus dem Ballsaal hallen, als sie aufräumten. Türen wurden geschlossen, und plötzlich senkte sich eine immense Stille über die riesige Eingangshalle. Ich sah mich um. Es war, als seien die Geister aller früheren Tattertons wieder in ihren Porträts verschwunden, um dort ewig zu ruhen. Das plötzliche Schweigen wurde ohrenbetäubend. Ich sah aus einem der Fenster und beobachtete, wie die Weihnachtsbeleuchtung angeschaltet wurde. Die Wiesen, die Hecken und die Bäume loderten in rotem, grünem und blauem Schein auf. Es war, als sei ein Regenbogen zersprungen, und seine Splitter seien über ganz Farthinggale heruntergefallen.
Mrs. Hastings kam nach unten und sagte mir, daß Troy tief und fest schlief. Sie ging wieder, um sich den anderen Angestellten anzuschließen, die jetzt vermutlich ein eigenes Fest feierten und sich in der Küche über die Reste hermachten.
Ich ging ins Musikzimmer, in dem Tony den drei Meter hohen Weihnachtsbaum hatte aufstellen und schmücken lassen. Seine Lichter waren eingeschaltet worden, und mit dem gläsernen Engel, der auf der Spitze leuchtete, sah der Baum sehr hübsch aus. Um ihn herum stapelten sich Geschenke. In dem marmornem Kamin brannte ein Feuer. Der Raum wirkte, als sei er für eine Familie gedacht, die jederzeit erwartet wurde.
Aber wo war diese Familie, und wer hatte all das vorbereitet?
Es war fast, als hätte das Haus ein Eigenleben, als erwachte jeder einzelne Raum zum Leben, wenn es an der Zeit war.
Ich lachte. Ich kam mir plötzlich so albern vor. Ob wohl auch am Heiligabend immer ein künstlicher Weihnachtsmann durch diesen Kamin gerutscht kam? Curtis mußte in der Nähe gewesen sein und mein Lachen gehört haben, denn er tauchte plötzlich in der Tür auf, und auf sein Gesicht trat ein verwirrter Ausdruck, als er sah, daß ich allein war.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun, Miß Leigh?« Ja, hätte ich gern gesagt. Holen Sie mir meinen Daddy und meine Mama.
Holen Sie mir das Glück zurück, daß wir einst miteinander erlebt haben.
»Nein, Curtis. Im Moment nicht. Danke.«
»Gut, Miß. Läuten Sie einfach, wenn Sie etwas wollen.«
»Danke.«
Er nickte freundlich und ging. Ich sah den Weihnachtsbaum und die Geschenke an, und dann blickte ich zu Mamas Wandgemälden auf. Mein Herz sank und wurde bleischwer, und meine Kehle schmerzte von der Anstrengung, das Schluchzen zu unterdrücken. Ich verließ eilig das Zimmer und ging in meine Suite. Ich war ja so müde. Ich zog mir ein Nachthemd an und kroch dann unter die Decken meines neuen Bettes.
Ich wurde wachgerüttelt, und als ich die Augen aufschlug, sah ich Troy.
»Wach auf, Leigh. Wach auf.«
»Was?« Ich rieb mir mit den Fäusten die Augen aus und sah mich um. Es würde eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt hatte, in einem so großen Schlafzimmer aufzuwachen.
»Es ist Weihnachten. Komm schon. Wir müssen runtergehen und unsere Geschenke auspacken. Komm schon. Beeil dich.«
»O Troy«, stöhnte ich. »Wie spät ist es denn?« Ich sah auf meine Uhr. Es war gerade erst sieben.
»Mach schnell«, flehte er mich an.
»Schon gut, Troy. Aber laß mir ein paar Minuten Zeit.
Mädchen brauchen länger zum Aufstehen als Jungen«, erklärte ich und hoffte auf eine kurze Gnadenfrist.
»Warum?« fragte er skeptisch.
»Weil sie sich frisieren und sich etwas ins Gesicht schmieren müssen. Junge Männer tun übrigens genau dasselbe.«
Er dachte einen Moment lang darüber nach, und dann sah er an sich selbst herunter. Er war noch im Schlafanzug und hatte einen Bademantel und Hausschuhe an.
»Gut. Dann bürste ich mir das Haar und treffe dich in ein paar Minuten!« rief er aus und eilte davon. Ich lachte und stand auf. Ich wusch mir den Schlaf aus dem Gesicht und bürstete mir flüchtig das Haar, und dabei wußte ich, daß Mama niemals aus ihrem Zimmer gekommen wäre, wenn sie so ausgesehen hätte. Aber Mama hatte nicht immer recht, dachte ich. Das glaubte ich jetzt mehr denn je. Ich zog meinen Bademantel an.
Troy erwartete mich in meinem Wohnzimmer und war schon ganz ungeduldig. In dem Moment, in dem ich auftauchte, packte er meine Hand und zerrte mich zur Treppe. Sowie wir im Musikzimmer waren, stürzte er sich auf die Geschenke.
Mrs. Hastings tauchte hinter mir auf und lachte.
»Fröhliche Weihnachten«, sagte sie.
»Fröhliche Weihnachten.«
»Wenn Sie wollen, kümmere ich mich um das Frühstück«, erbot sie sich.
»Danke, Mrs. Hastings. Hoffen wir nur,
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