Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
herum zu vergessen. Aber sie durfte diese Gefühle nicht zulassen. Durfte sich selbst nicht erlauben, das Andenken an Torben zu beschmutzen.
Du hast ihm ewige Liebe und Treue geschworen, erinnerst du dich? Und jetzt bist du auf dem besten Weg, dein Herz an einen anderen Mann zu verlieren. Schämst du dich denn überhaupt nicht? Er ist gestorben, um dich zu beschützen! Hast du das vergessen?
“Natürlich hat es mir gefallen”, erwiderte sie heiser. “Und trotzdem darf es nicht wieder geschehen, hörst du? Es wäre nicht gut.” Sie drehte sich zu ihm um, schaute ihn an. “Für uns beide nicht.”
Magnus seufzte leise. “Wahrscheinlich hast du recht.” Er trat zu ihr und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Wange. “Gute Nacht.”
“Soll ich dir ein Taxi rufen, das dich zum Hafen bringt?”, erkundigte sie sich.
Er schüttelte den Kopf. “Nicht nötig. Ein ausgedehnter Spaziergang ist jetzt genau das Richtige für mich. Die frische Luft wird mir guttun.” Er nickte ihr noch einmal zu, dann ging er davon. Jenny stand da, die Arme um den Leib geschlungen, und schaute ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war.
“Ach, hier steckst du! Ich habe schon die halbe Fiskfabrik nach dir abgesucht.” Anni-Frid erschien im Türrahmen. “Kommst du? Die Gäste fragen nach dir.” Sie blickte sich suchend um. “Wo hast du Magnus gelassen?”
“Er musste gehen.”
“Jetzt schon? Die Party hat doch gerade erst richtig angefangen!” Anni-Frid musterte sie forschend. “Irgendetwas stimmt doch nicht. Du bist so blass. Ist zwischen euch etwas vorgefallen?”
“Unsinn”, erwiderte Jenny energisch. “Ich bin einfach nur ein wenig erschöpft. Die letzten Tage waren ziemlich anstrengend.”
Anni-Frid stöhnte. “Ja, das kann man wohl sagen. Übrigens: Hast du Magnus jetzt noch einmal auf die Reportage angesprochen?”
“Er hat sich bislang noch nicht entschieden.”
“Glaubst du denn, er wird es machen?”
Seufzend fuhr Jenny sich durchs Haar. “Ich weiß es nicht”, sagte sie. “Ich weiß es wirklich nicht.”
Olof Lindh saß an seinem Schreibtisch, in der Hand hielt er eine Serie von Fotos, die immer dieselben Personen zeigten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit diesen Bildern konnte man ein ganz schönes Durcheinander anrichten, und genau das hatte er vor. Wenn es ihm damit nicht gelang, Magnus Sund zum Verkauf seiner Werft zu bewegen, dann würde er zu anderen Methoden greifen müssen.
Was Jenny Mälarsson betraf, so hatte sie sich nun doch noch als nützlich erwiesen, auch wenn es ihr nicht gelungen war, ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Nichts hatte sie über Sund herausgefunden, absolut gar nichts. Von einer ehemaligen Klatschreporterin hatte er eigentlich mehr erwartet.
Er legte die Bilder auf den Tisch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Mit ein bisschen Glück würde nun alles nach Plan laufen. Und da Jenny Mälarsson die besprochenen Leistungen nicht erbracht hatte, sah er sich auch nicht genötigt, seinen Teil der Abmachung einzuhalten. Umso besser, denn er hatte bereits einen zahlungskräftigen Interessenten für das Gebäude der Konservenfabrik, in der sich der Jugendtreff befand, an der Hand.
“Ich weiß wirklich nicht, wie du es geschafft hast, mich zu so etwas zu überreden”, sagte Magnus kopfschüttelnd, als er zwei Tage nach ihrer letzten Begegnung zu Jenny in den Korb des Heißluftballons kletterte.
Seit der Party hatten sie sich nicht mehr gesehen. Eine kurze Zeitspanne, die Magnus jedoch wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war. Alles hatte er versucht, nur um nicht an sie zu denken. Tagsüber, wenn er sich in seine Arbeit stürzen konnte, war ihm dies noch einigermaßen gelungen. Nachts jedoch, wenn er allein in seinem viel zu großen Bett lag, hatte sie sich stets in seine Gedanken und Träume geschlichen.
“Ach, komm schon, das wird sicher ganz riesig Spaß machen!” Jenny lachte, und allein dieser Klang ließ sein Herz schon schneller schlagen. Oder lag seine Aufregung in der weit weniger angenehmen Aussicht begründet, sich gleich mit einem Ballon in schwindelerregende Höhe zu erheben?
Magnus atmete tief durch. Als kleiner Junge war er einmal auf einen der zahlreichen Apfelbäume geklettert, die auf dem weitläufigen Grundstück von Majdal Slott – dem Stammsitz seiner Familie – standen, um Carlo, den Kater seines jüngeren Bruders Gunnar, zu retten. Oben angekommen hatte Carlo sich dann als weit weniger hilflos erwiesen als sein
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