Dunkle Wünsche
großen und vulgären Diamanten. Sein Rücken war gegen die Trennwand
gepreßt, und seine Augen waren geschlossen. Vor ihm auf dem Tisch stand ein
unberührtes Glas, in dem die Eiswürfel schon fast geschmolzen waren. »Mason?«
sagte ich ein paarmal, aber das drang nicht zu ihm durch, und so legte ich
meine Hand auf seine Schulter und schüttelte ihn sachte. Er kippte seitlich um,
wobei meine Hand von ihm abglitt, und schlug mit dem Kopf hart auf der Holzbank
auf. Es schien ihn nicht im geringsten zu stören. Gleich darauf sah ich auch
den Grund; das Heft eines Messers ragte zwischen seinen Rippen hervor, und ein
großer Teil seiner Anzugjacke war feucht und dunkel verfärbt.
ACHTES KAPITEL
S oll ich diese Leute noch länger
hier behalten, Lieutenant?« fragte Sergeant Kylie.
»Ich glaube nicht«, sagte ich.
»Schreiben Sie ihre Namen und Adressen auf, und dann können sie heimgehen.« Ich
wandte mich wieder an Doc Murphy: »Haben Sie ein paar Perlen ärztlicher
Weisheit, die Sie mir zukommen lassen können?«
»Ich frage mich, ob dieser
Mörder seine Messer en gros einkauft?« Murphy rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Es wird allmählich zur schlechten Gewohnheit bei ihm. Nicht?«
»Es ist Mitternacht«, brummte
ich. »Bevor Sie sich wieder in einen überreifen Kürbis verwandeln: Wie wär’s
mit ein paar Fakten?«
»Die sehen Sie doch selber«,
knurrte er. »Jemand hat ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen und ihn
umgebracht. Wann haben Sie ihn gefunden?«
»Gegen elf Uhr, glaube ich.«
»Sind Sie ganz sicher, daß Sie
den Mörder nicht gesehen haben, als er hinausging?«
»Ach, Sie meinen, der war es?« Ich blickte ihn
ehrfurchtsvoll an. »Der Bursche mit diesem gräßlichen Grinsen auf dem Gesicht
und den bluttriefenden Händen?«
»Sie können ihn nur um
Haaresbreite verfehlt haben«, sagte Murphy kalt. »Höchstens um zehn Minuten.«
»Alles kein Problem«, sagte
ich. »Sechs Leute halten sich in der Bar auf, einschließlich des Barkeepers.
Alles, was sie sehen, sind zwei Männer, die hereinkommen; und etwa fünf Minuten
später geht einer davon wieder hinaus. Wie er aussieht? Ganz einfach! Er ist
groß, klein, dünn, dick, hat dichtes Haar, eine Glatze, ist jung, alt — er trug
entweder einen Hut oder auch keinen, einen Mantel oder auch nur einen Anzug.«
»Sie haben Ihre Probleme; ich
muß sehen, wie ich zu meinem Nachtschlaf komme«, sagte er herzlos. »Ich nehme
als erstes morgen früh die Autopsie vor.«
»Wenn Sie schon dabei sind,
vergleichen Sie doch auch seine Blutgruppe mit der des H auf der Stirn des
Mädchens«, schlug ich vor.
»Sie werden noch direkt smart,
Al.« Er grübelte ein paar Sekunden darüber nach. »Aber wenn er sie umgebracht
hat, so hat er doch jedenfalls heute abend nicht Selbstmord begangen, indem er
sich das Messer zwischen die Rippen gesteckt hat. Das muß ein anderer für ihn
erledigt haben.«
»Warum kandidieren Sie das
nächstemal nicht als Countysheriff?« stöhnte ich. »Es ist ein Jammer, daß all
diese brillanten deduktiven Fähigkeiten vergeudet werden.«
»Ich wollte Ihnen ja nur
helfen«, sagte Doc Murphy so von oben herab, wie er nur konnte. »Aber nun ist
mir klar, daß Ihnen gar nicht zu helfen ist, Sie Kretin! Können diese beiden
wartenden Grabgespenster in Weiß nun die Leiche wegschaffen, oder hoffen Sie
darauf, daß der Mörder zurückkommt, um Anspruch darauf zu erheben?«
»Wenn ich krank und am Sterben
wäre, würde ich mich umbringen, bevor ich zu Ihnen käme«, sagte ich verbittert.
»Wäre das vielleicht nett, Al?«
Die dunklen Augen funkelten in dem Mephistogesicht. »Kommen Sie zu mir und
lassen Sie mich das tun.« Er winkte, und die beiden Männer im weißen Kittel
trugen die sterblichen Überreste des unglücklichen Zuhälters davon.
Ich ging zur Bar hinüber, wo
Kylie methodisch den Inhalt von Masons Taschen aufgereiht hatte. Da waren
Wagenschlüssel, eine Brieftasche mit ungefähr dreihundert Dollar, ein seidenes
Taschentuch, eine halbvolle Packung Zigaretten und ein silbernes Feuerzeug. Ich
drehte das Zigarettenpäckchen um und stellte fest, daß keinerlei letzte
Botschaft in Blut darauf geschrieben war. Kylie trat an meine Seite und wartete
höflich.
»Wie oft haben Sie sich die
Aussage des Barkeepers angehört?« fragte ich.
»Dreimal.«
»Das macht zusammen mit meinen
drei Malen insgesamt sechsmal«, überlegte ich. »Zwei Burschen kamen herein, der
eine, der jetzt tot ist, bestellte sich etwas zu
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