Dunkler Fremder
der
Seitengasse auftauchten.
Mit ungläubigen Augen sah er aus der Dunkelheit
Laura Faulkner und Reggie Steele auftauchen und zu Lauras Wagen gehen.
Sie blieb stehen, streichelte mit einer Hand über den Kopf des
Hundes, und Steele redete mit leiser Stimme auf sie ein. Einmal lachte
er auf und legte auf eine vertrauliche Weise eine Hand auf ihren Arm,
dann stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon.
Steele wandte sich ab. Sein Weg führte ihn an dem
Hauseingang vorüber, in dem Shane und das Mädchen sich
versteckt hielten. Shane zog Jenny fest an sich und verbarg sein
Gesicht an ihrer Schulter, aber Steele warf ihnen nur einen
flüchtigen Seitenblick zu und ging davon.
Shane verließ den Hauseingang, blickte ihm nach,
wie er um die nächste Ecke verschwand, und der Blick aus seinen
verbitterten Augen wurde hart. Hinter sich hörte er Jenny sagen:
»Also, was soll das alles eigentlich bedeuten? Interessieren Sie
sich auch für sie?«
Er drehte sich zu Jenny um. »Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?«
Sie nickte. »Sie besucht ihn im Klub, seit ich
hier arbeite, und das sind jetzt annähernd zwei Jahre.«
Die Hände tief in die Taschen seines Mantels
vergraben, trat er langsam auf die Straße hinaus. Sein Gesicht
glich einer Maske, die Haut spannte über den Backenknochen,
daß sein Gesicht im bleichen Licht der Straßenlaternen
einem Toten schädel glich, und in seinem Herz loderte eine kalte,
mörderische Wut.
Laura Faulkner hatte ihn zum Narren gehalten. Sie
hatte ihn an diesem Abend nur aus einem einzigen Grund besucht: Um ihn
aus seinem Zimmer zu locken, um Steele oder einem seiner Komplizen die
Möglichkeit zu geben, nach seiner Waffe zu suchen. Und am
niederträchtigsten daran war, daß gerade sie ihn dazu
veranlaßt hatte, die Luger zurückzulassen. Die ganze Sache
war von Anfang an raffiniert geplant worden. Sie hatten darauf gesetzt,
daß er sie zu einem Drink einladen würde, und wenn er es
nicht getan hätte, dann würde sie es vermutlich vorgeschlagen
haben.
Er wandte sich zum Gehen, blieb noch einmal stehen und
überlegte, was er als nächstes unternehmen sollte. Er
fühlte sich plötzlich entsetzlich müde,
erschöpfter, als er sich seit langer Zeit gefühlt hatte. Mit
Laura Faulkner zu reden konnte bis zu ihrer Verabredung am
nächsten Tag warten. Er stöhnte seufzend auf. Wenigstens das
hatte sich für ihn daraus ergeben. Jetzt hatte er die
Gewißheit, daß etwas vor ihm verborgen wurde. Was dieses
Etwas war, wußte er nicht, doch auch das konnte bis zum
nächsten Nachmittag warten.
Er wollte weitergehen, als er Jenny Green hinter sich fragen hörte: »He, was ist denn mit mir?«
Überrascht, daß sie noch da war, drehte er
sich nach ihr um, und dann erschien langsam ein Lächeln auf seinem
Gesicht. »Hatten Sie nicht etwas von Kaffee gesagt?«
Sie lächelte, kam auf ihn zu und schob eine Hand
unter seinen Arm. Gemeinsam verließen sie den Platz und gingen
auf die Hauptstraße zu.
Sie wohnte in einer Nebenstraße in der Nähe
der Universität. Ältere Sandsteinhäuser mit schmalen
Vorgärten säumten beide Seiten der Straße. Ihre Wohnung
befand sich in der obersten Etage, und als sie die Tür
öffnete und Licht einschaltete, befand er sich in einem
großen, behaglichen Wohnzimmer.
Sie warf ihre Schuhe ab und lächelte ihm mit
erleichtertem Gesicht zu. »Ich muß mir das Gesicht
abschminken und etwas Bequemes anziehen. Setzen Sie sich inzwischen. Es
dauert nur eine Minute.«
Er ging in dem Zimmer auf und ab und sah sich um.
Durch die halbgeöffnete Tür zum Schlafzimmer erhaschte er
einen flüchtigen Blick auf sie, als sie vor dem Spiegel stand und
ihre Strümpfe auszog, unter der hauchzarten Wäsche hoben sich
die Formen ihres schlanken Körpers deutlich ab.
Schnell wandte er sich ab, die Kehle wie
ausgedörrt, und setzte sich in einen Sessel neben dem Kamin. Er
griff nach einer Zeitschrift, wobei seine Hände leicht zitterten
und sein Atem mühsam und stoßweise ging. Von irgendwo
hörte er Wasser rauschen, als ein Hahn aufgedreht wurde. Wenige
Minuten später kam sie wieder in das Zimmer, während sie sich
noch das Haar am Hinterkopf aufsteckte.
Sie trug einen alten, gesteppten Hausmantel und
pelzgefütterte Pantöffelchen. Sie hatte ihr Gesicht
abgeschminkt, und ohne das grelle Make-up sah sie überraschend
jung und unschuldig aus.
Sie ging in die Küche und füllte einen
Wasserkessel. Shane zündete sich eine
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