Dunkler Fremder
Zigarette an und trat unter
die Küchentür. Seine Stimme klang ratlos, als er zögernd
fragte: »Wie, zum Teufel, sind Sie nur in diese Umgebung
geraten?«
Sie drehte sich ihm mit einem ernsten Ausdruck in
ihrem Gesicht zu. »Kommen Sie nicht auf falsche Gedanken. Ich
arbeite im Schaugeschäft – nichts anderes. Jeder, der hier
bei mir reinkommt, ist deshalb eingeladen, weil ich ihn mag, und aus
keinem anderen Grund.«
Er lächelte freundlich. »Tut mir leid, wenn
ich mich mißver ständlich ausgedrückt habe.« Sie
füllte mit einem Löffel Kaffeepulver in einen Filter, und er
fragte weiter: »Wie kam es dazu, daß Sie für Steele
arbeiten?«
Auf einem Tablett trug sie den Kaffee und Geschirr in
den Wohnraum, und er folgte ihr. »Ach, das ist die alte
Geschichte. Mein ganzes Leben lang hatte ich mir gewünscht,
Schauspielerin zu werden. Ich bin aufgewachsen, wenn man das so nennen
kann, in einem Slum von Manchester. Als ich siebzehn war, ging ich nach
London, nahm tagsüber eine Stellung als Verkäuferin an und
besuchte in den Abendstunden eine drittklassige
Schauspielschule.«
»Klingt wie ein schlechter Film«, meinte Shane mitfühlend.
Sie nickte zustimmend. »Als ich
schließlich glaubte, ich hätte genug gelernt, um bei einem
Theater anzukommen, klapperte ich drei Monate lang alle in Frage
kommenden Theateragenturen ab, und mir wurde so ungefähr jede Art
von Angebot gemacht, die man sich nur vorstellen kann –
selbstverständlich waren sie alle von der gleichen eindeutigen
Sorte. Schließlich gelang es mir, einen Job als Tänzerin bei
einer billigen Tourneetruppe zu ergattern.«
Shane lächelte bitter, aber verständnisvoll.
»Rotnasige Klamottenkomiker und Stripnummern vermutlich.«
Sie nickte. »In Burnham flog das Unternehmen auf, und Reggie Steele bot mir einen Job an.«
»Ohne zusätzliche Bedingungen etwa?« fragte er.
Sie hob abwehrend die Schultern und reichte ihm eine
Tasse mit Kaffee. »Zunächst brachte er mir ein gewisses
ehrliches Interesse entgegen, aber es war nur vorübergehend. Bei
ihm dauert so etwas nie lange.«
Er bot ihr eine Zigarette an, und eine Weile
saßen sie sich schweigend gegenüber. Sie hatte den Kopf
gegen die Rücklehne ihres Sessels gelegt und hielt die Augen
geschlossen, und Shane streckte die Beine von sich und versuchte sich
zu entspannen.
Es war unmöglich. Ihr Morgenmantel hatte sich
vorn leicht geöffnet und enthüllte die atemberaubende Linie
eines nackten Oberschenkels. Ein beklemmender Druck legte sich ihm auf
den Magen, als er daran dachte, welchen Anblick sie ihm durch die
halbgeöffnete Tür des Schlafzimmers geboten hatte.
Es war lange her, seit er das letzte Mal mit einer
Frau zusammen gewesen war. Schon zu lange. Er erhob sich und ging zum
Fenster hinüber. Draußen tauchte im Schein einer Laterne ein
Streifenpolizist auf. Regen tropfte ihm auf die Mütze, und Jenny
Green sagte in die Stille: »Sie stecken in einer schwierigen
Situation, nicht wahr? Einer wirklich schwierigen, meine ich.«
Er drehte sich zu ihr um und antwortete mit einem
flüchtigen Lächeln: »Nichts, womit ich nicht
fertigwerden kann.«
Sie nickte nachdenklich. »Ja. Sie sehen so aus
wie ein Mann, der mit den meisten Dingen des Lebens fertigwerden
kann.«
Ihre Augen hatten einen beinahe lockenden Ausdruck,
und ihm war wieder die Kehle wie zugeschnürt. Er räusperte
sich und sagte: »Ich glaube, es wird Zeit, daß ich gehe. Es
ist schon reichlich spät.«
Sie lächelte bittend. »Müssen Sie
wirklich? Sie können gern hierbleiben. Ich habe reichlich
Platz.«
Er schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, aber
in meinem Hotel kann eine wichtige Nachricht auf mich warten.«
Sie trat ganz dicht an ihn heran und blickte in sein
Gesicht auf. »Ich habe Sie im Spiegel beobachtet, als Sie mir
beim Ausziehen zugesehen haben.«
Er ballte die Fäuste und versuchte, seine Stimme
zu beherrschen. »Es war ganz zufällig, die Tür stand
halboffen.«
Sie lachte. »Was glauben Sie, warum ich die Tür offenstehen ließ?«
Seine Handflächen wurden feucht, und das
Würgen in seinem Magen wurde langsam unerträglich. Er legte
mit zitternden Händen die Arme um sie. »Es ist lange her,
Jenny, so verdammt lange her.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und
küßte ihn sanft auf den Mund. »Laß mir zwei
Minuten Zeit«, bat sie und verschwand im Schlafzimmer.
Er stand da und starrte regungslos vor sich
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