Dunkler Fremder
stand das Mädchen und zog mit
einem Stift die Augenbrauen nach. Als es ihn wahrnahm, drehte es sich
erschrocken und mit verstörtem Gesicht zu ihm um. Es öffnete
schon den Mund, um zu schreien, doch Shane kam dem Schrei zuvor und
preßte ihm eine Hand fest auf den Mund.
»Keinen Ton, oder es ist Ihr letzter«,
fauchte er drohend. »Das verspreche ich Ihnen.« Er
ließ die junge Frau los, und sie sank mit angstverzerrtem Gesicht
gegen den Schreibtisch zurück.
Sie trug wieder das Kostüm, und Shane griff nach
dem Revers ihrer Jacke und befühlte prüfend den Stoff.
»Ich hätte es mir gleich denken können, als ich Sie
neulich in diesem neuen Fummel sah«, sagte er knurrend.
»Sie haben hier nie genug verdient, um sich das leisten zu
können, und auch keiner dieser Freunde, die sich mit Ihnen
abgeben.«
»Es war ein Mann. Ich habe ihn nie vorher
gesehen«, ge stand sie verängstigt. »Er war schon
älter und hatte sehr viel Geld.«
Shane schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht.
»Sie lügen, Sie Miststück«, sagte er scharf.
»Kein Mann mit viel Geld würde einer kleinen Schlampe wie
Ihnen auch nur einen zweiten Blick gönnen. Ich weiß, wie Sie
zu dem Kostüm gekommen sind. Jemand hat Sie gekauft. Jemand, der
in mein Zimmer eindringen wollte. Er verlangte den Hauptschlüssel
von Ihnen und den haben Sie ihm gegeben.«
Ihre mühsame Beherrschung fiel unter der
Anschuldigung völlig in sich zusammen, und Shane wußte,
daß er recht hatte. Er packte sie an den Haaren und zog ihr den
Kopf nach hinten. »Wer ist es gewesen?« forderte er rauh.
Sie versuchte sich freizukämpfen, und Tränen
rannen ihr aus den Augen. »Ich weiß seinen Namen
nicht«, flüsterte sie. »Er gab mir einfach nur viel
Geld. Ich wollte nichts Unrechtes tun.«
Shane drängte sie gegen den Schreibtisch zurück. »Beschreiben Sie ihn«, verlangte er.
Langsam und zögernd kamen ihre gestammelten
Worte, als sie Auskunft gab. Nachdem sie geendet hatte, griff er
mißmutig nach einer Zigarette. Das Mädchen weinte
hemmungslos. Ihr Schluchzen ließ ihren Körper erbeben, doch
Shane musterte sie kalt. »Vielleicht ist Ihnen das für die
Zukunft eine Lehre, Ihre Nase aus Dingen herauszuhalten, die Sie nichts
angehen.« Er öffnete die Tür hinter sich und sagte
über die Schulter mit schneidender Stimme: »Wenn Sie die
Polizei alarmieren, dann komme ich wieder und bringe Sie um, und wenn
es das Letzte wäre, was ich tue. Darauf können Sie sich
verlassen.« Mit einem Stöhnen sank sie auf den
Schreibtischstuhl, und er schloß die Tür hinter sich und
ging zu seinem Wagen hinaus.
Er fuhr die Hauptstraße entlang, die vom Bahnhof fortführte,
kam an zwei Polizisten vorüber, die an einer Ecke standen,
und lenkte das Auto auf den St. Michaels Square. Der Garland Club lag
im Dunkeln, und als er aus dem Wagen stieg und zum Eingang ging, fand
er dort an der Tür eine Nachricht, die besagte, daß der Klub
vorübergehend geschlossen sei.
Er ging durch die Seitengasse an dem Gebäude
entlang und versuchte die Nebentür zu öffnen, aber sie war
verschlossen. Beunruhigt tastete er sich weiter zu dem Hinterhof des
Gebäudes. Als er aufblickte, atmete er erleichtert auf, denn er
nahm einen Lichtschimmer wahr, der durch einen Schlitz im Vorhang vor
dem Fenster zu Steeles Büro drang.
Shane stieg auf einen Müllkübel,
erfaßte die Kante des flachen Küchendachs und kletterte
vorsichtig hinauf. Behutsam tastete er sich zu dem Fenster vor, hinter
dem das Licht brannte. Das Fenster war bis auf einen schmalen Spalt
geschlossen, und mit dem Ohr dicht an dieser Luke lauschte er einen
Augenblick. Kein Laut war zu vernehmen. Leise schob er seine Finger in
den schmalen Spalt, holte tief Atem und stieß das Fenster auf. Im
gleichen Augenblick riß er den Vorhang beiseite und stürzte
sich kopfüber in den Raum.
Steele saß an seinem Schreibtisch und drehte
sich erschrocken um. Seine Hand griff in eine halb offenstehende
Schublade, doch Shane warf sich vorwärts, stieß die
Schublade wuchtig zu und klemmte dabei Steeles Hand ein. Steele schrie
auf und versuchte aufzustehen. Shane zog die Schublade wieder auf,
rammte Steele gleichzeitig die Faust ins Gesicht und warf ihn damit zu
Boden.
In der Schublade lag seine eigene Pistole. Er nahm sie
heraus und wog sie, seinen Blick auf Steele gerichtet, in der Hand.
»Du hast wohl fest damit gerechnet, mich nie wiederzusehen, du
Mistkerl, oder etwa doch?«
Steele
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