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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wort »Prozeß« ernüchterte Monk. Reglos stand er da.
    »Zuerst werde ich Hester besuchen«, sagte er leise.
    »Arrangieren Sie das.« Sein Gesicht verhärtete sich. »Sie muß mir alles erzählen, was sie über die Farralines weiß. Gott weiß, wie ich die Bande dazu kriege, mich ins Haus zu lassen, geschweige denn, mit mir zu reden!«
    »Lügen Sie sie an!« sagte Rathbone mit schrägem Lächeln.
    »Und erzählen Sie mir nicht, das wäre unter Ihrer Würde!«
    Monk warf ihm einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts. Einen Moment lang blieb er noch regungslos stehen, dann drehte er sich auf dem Absatz und um ging zur Tür.
    »Sie sagten etwas von Spesen«, sagte er mit heftigem Widerwillen. Es fiel Rathbone wie Schuppen von den Augen, daß Monk es verabscheute, um etwas zu bitten. Er hätte am liebsten alles allein gemacht, Hester zuliebe.
    Monk bemerkte, daß Rathbone ihn durchschaut hatte, und es machte ihn wütend, daß dieser womöglich über seine finanziellen Verhältnisse und seine Zuneigung zu Hester Bescheid wußte. Wo er es nicht einmal selber wahrhaben wollte! Das Blut schoß ihm ins Gesicht.
    »Clements hat das Geld für Sie bereit«, antwortete Rathbone.
    »Und eine Fahrkarte für den Nachtzug nach Edinburgh. Er fährt um Viertel nach neun.« Er warf einen Blick auf die goldene Uhr an seiner Weste, ein wunderschönes Stück mit graviertem Gehäuse. »Fahren Sie nach Hause, und packen Sie alles zusammen, was Sie brauchen. In der Zwischenzeit arrangiere ich einen Besuch im Gefängnis. Und halten Sie mich bitte über Ihre Fortschritte in Edinburgh auf dem laufenden.
    »Selbstverständlich«, versprach Monk. Nach kurzem Zögern öffnete er die Tür und ging.
    Wie benommen fuhr er zurück zu seiner Pension. Hester unter Mordverdacht. Das war wie ein Alp träum: Der Kopf wollte es nicht begreifen, obwohl der Bauch bereits wußte, daß es schreckliche Realität war.
    Er packte alle saubere Wäsche zusammen, die er benötigen würde, dazu Socken, Rasierpinsel und -messer, Haarbürste, Waschzeug und ein Paar Stiefel zum Wechseln. Es war nicht absehbar, wie lange er dort oben bleiben würde. Soviel er wußte, war er noch nie in Edinburgh gewesen. Er hatte keine Ahnung, wie es dort aussah. Wahrscheinlich wie in Northumberland. Doch was spielte das jetzt für eine Rolle?
    Er wußte genau, warum ihm diese Beklommenheit so vertraut war, die Angst und dieses gemischte Gefühl aus Zweifel und Resignation. Es glich seiner eigenen Erfahrung als Jäger und Gejagter zugleich, damals, als er nach seinem Unfall in diesem Krankenhaus aufgewacht war. Er hatte nicht einmal mehr seinen eigenen Namen gewußt, Stück für Stück hatte er seine Identität zusammensuchen müssen, während er den Mörder von Jocelyn Gray jagte. Jetzt, zwei Jahre später, wußte er noch längst nicht alles über sich, und vieles von dem, was er herausgefunden hatte, war gefiltert durch die Wahrnehmungen der anderen, teils erinnert, teils erraten – ein verwirrendes Bild voller Eigenschaften, die er nicht mochte.
    Es war nicht der Zeitpunkt, um über sich selber nachzugrübeln. Er mußte das Rätsel um Mrs. Farralines Ableben lösen und um Hesters Rolle in der Geschichte.
    Er klappte seinen Koffer zu und nahm ihn mit hinunter. Seiner Zimmerwirtin teilte er in knappen Worten mit, daß er geschäftlich in Edinburgh zu tun habe und nicht genau wisse, wann er zurückkäme.
    Sie war an seine Art gewöhnt und schenkte ihr keine Beachtung. »Ach, ja?« sagte sie abwesend, um dann mit wachem Blick eine für sie wichtige Frage zu klären: »Ich nehme an, Sie schicken mir die Miete, falls Sie so lange fort sein sollten, Mr. Monk?«
    »Natürlich«, versprach er knapp. »Und Sie bewahren meine Post auf.«
    »Werde ich tun. Damit alles seine Ordnung hat. Hatten Sie je Grund zur Beschwerde, Mr. Monk?«
    »Nein«, mußte er zugeben. »Guten Tag!«
    »Einen guten Tag, Sir.«
    Als er das Gefängnis erreichte, in dem Hester festgehalten wurde, hatte Rathbone sein Versprechen gehalten. Monk wurde als Rathbones Assistent und damit als Rechtsbeistand zu Hester gelassen.
    Die Wärterin, die ihn den grauen steinernen Gang zur Zelle entlangführte, war von kräftiger Statur, in ihren groben Zügen stand tiefer Abscheu. Die Frau kannte die Anklage gegen Hester: Daß man sie beschuldigte, eine alte Frau getötet zu haben, eine Patientin, die ihr vertraut hatte, nur um sich in den Besitz eines Schmuckstücks zu bringen, das vielleicht ein paar hundert Pfund wert sein

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