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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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weiter nichts. Und das habe ich gründlich vermasselt! Ich weiß nicht, was Sie sonst von ihnen hören wollen.«
    »Selbstmitleid steht Ihnen so wenig wie den meisten anderen Menschen«, erwiderte er scharf. »Und wir haben nur wenig Zeit.«
    Sie funkelte ihn zornig an.
    Er lächelte, kräuselte leicht die Lippen, erleichtert darüber, daß sie endlich Kampfwillen zeigte – nur anmerken sollte sie es ihm nicht. »Natürlich werden sie das sagen«, stimmte er ihr zu.
    »Ich werde ihnen einen Haufen Fragen stellen.« Während er redete, legte er sich seinen Plan zurecht. »Ich behaupte einfach, ich käme im Auftrag der Staatsanwaltschaft und müsse jeden einzelnen Schritt Ihres Aufenthalts bei ihnen rekonstruieren, um den Fall hieb und stichfest abschließen zu können.«
    »Ich war nur einen Tag dort!« unterbrach sie ihn.
    Er ignorierte ihren Einwand. »Und im Zuge dieser Ermittlungen werde ich soviel wie möglich über die Familie in Erfahrung bringen. Einer von ihnen hat sie ermordet! Irgendwie, vielleicht durch eine Winzigkeit, wird er sich verraten.« Er sagte es mit mehr Überzeugung, als er wirklich fühlte, aber auch das mußte er ihr nicht auf die Nase binden. Es war das mindeste, was er tun konnte, ihr die bitterste aller Wahrheiten zu ersparen – die geringsten Aussichten auf Erfolg. Es war schlimm, so wenig tun zu können, wo doch soviel davon abhing.
    »Werden Sie es schaffen?« Ihre Stimme zitterte fast. Ohne nachzudenken nahm er ihre Hand und hielt sie fest.
    »Ja, ich werde es schaffen. Es wird nicht leicht sein und nicht schnell gehen, aber ich werde es schaffen.« Er schwieg. Sie kannten einander zu gut. Er sah ihrem Gesicht an, woran sie dachte sie erinnerte sich an einen anderen Fall, den sie zusammen gelöst hatten. Zu spät hatten sie die Wahrheit herausgefunden, der falsche Mann war verurteilt und gehängt worden. »Ich schaffe es, Hester«, versprach er ihr leidenschaftlich. »Ich finde die Wahrheit heraus, egal, was es kostet und wem ich dafür das Genick brechen muß!«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Für einen Moment schien die Angst sie zu überwältigen.
    Er biß die Zähne zusammen.
    Warum war sie so verdammt unabhängig? Warum konnte sie nicht weinen wie andere Frauen auch? Dann hätte er sie in die Arme nehmen, sie trösten können. Aber es hätte ihr nichts bedeutet! Und er hätte sich dafür gehaßt! Er ertrug sie nicht, wie sie war, doch hätte sie sich verändert, es wäre noch schlimmer gewesen.
    Es war ihm zuwider, daß er nicht einfach gehen und die Sache einem anderen überlassen konnte. Es war kein Fall wie jeder andere. Es ging um Hester und der Gedanke an ein Scheitern war unerträglich.
    »Erzählen Sie mir von ihnen!« befahl er barsch. »Wer sind diese Farralines? Was haben sie für einen Eindruck auf sie gemacht?«
    Sie drehte sich um und blickte ihn verwundert an. Nur langsam bekam sie ihre Gefühle in den Griff und antwortete ihm.
    »Der älteste Sohn heißt Alastair. Er ist der Prokurator…«
    »Keine Tatsachen!« fiel er ihr ins Wort. »Die werde ich selber rausfinden. Ich brauche Ihre Eindrücke von dem Mann. War er glücklich oder unglücklich? Hat er sich Sorgen gemacht? Hat er seine Mutter geliebt oder gehaßt? Hatte er Angst vor ihr? War sie eine besitzergreifende, eine mütterliche, eine kritische oder eine dominierende Frau? Erzählen Sie mir von ihr!«
    Sie lächelte schwach. »Mir ist sie großzügig und höchst normal vorgekommen…«
    »Sie ist ermordet worden, Hester! Und für einen Mord gibt es Gründe, auch wenn es keine guten sind. Jemand hat sie gehaßt oder hatte zumindest Angst vor ihr. Warum? Erzählen Sie mir von ihr. Und es interessiert mich nicht, was für eine reizende Person sie war. Junge Frauen werden manchmal umgebracht, weil sie reizend sind, aber niemals alte!«
    Hesters Lächeln wurde ein wenig entschiedener.
    »Meinen Sie, ich hätte nicht darüber nachgedacht, warum jemand sie getötet hat? Alastair wirkte ein bißchen besorgt, aber dafür kann es tausend Gründe geben. Wie gesagt, er ist der Prokurator…«
    »Was ist das, ein Prokurator?« Es war nicht der Augenblick, aus Stolz seine Unwissenheit zu verbergen.
    »So etwas wie der Anwalt der Krone, glaube ich.«
    »Hmmm.« Das eröffnete neue Möglichkeiten.
    »Und der jüngere Bruder, Kenneth, hatte eine Verabredung, über die sich die Familie den Kopf zerbrochen hat. Sie haben angenommen, daß er sich um eine Frau bemüht, die sie noch nicht kannten.«
    »Ich verstehe. Was

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