Dunkler Grund
schlenderten, mit den Köpfen nickten und lächelten, in der Hoffnung, von den richtigen Leuten gesehen und erkannt zu werden. Diener mischten sich diskret darunter, boten Erfrischungen an, und ein Portier in prächtiger Livree kündigte die Ankunft jener Gäste an, die in der Gesellschaft besonderes Ansehen genossen.
Eilish war nicht zu übersehen. Selbst in Schwarz schien sie Wärme und Licht auszustrahlen. Allein ihre Frisur war ein prächtigerer Schmuck als die Diademe der Herzoginnen, und ihre helle Haut leuchtete aus dem Schwarz ihres Kleides hervor.
Bald hatte Monk von der Galerie aus Alastairs blonden Kopf ausgemacht, und gleich darauf auch Oonagh. Die Aura gelassener, überlegener Intelligenz, die von ihr ausging, strahlte bis nach dort oben, auch wenn er nur einen Teil ihres Gesichts sehen konnte.
Ob Mary auch so war? Der betrunkene Hector hatte so etwas angedeutet. Warum hätte jemand eine solche Frau ermorden sollen? War es die Gier nach der Macht, die sie in Händen hielt? Oder nach ihrem Geld? War es Eifersucht auf die innere Kraft, die sie automatisch zum Familienoberhaupt bestimmt hatte? Oder vielleicht Angst, weil sie etwas wußte, das sie nicht wissen durfte, weil sie damit das Lebensglück, vielleicht sogar die Sicherheit eines anderen gefährdete.
Aber was? Was hätte Mary wissen können? Ob Oonagh es inzwischen auch wußte, ohne zu ahnen, in welche Gefahr dieses Wissen sie brachte?
Zum Glück schienen weder Hector noch Kenneth anwesend zu sein. Es brachte ihn nicht weiter, allein dort oben herumzustehen. Widerwillig und nervöser, als er gedacht hatte, richtete er sich auf und ging die Treppe hinunter, um sich ins Gewühl zu stürzen.
Beim Abendessen saß er neben einer stattlichen Dame in burgunderfarbenem und schwarzem Kleid, dessen gewaltige Röcke so ausladend waren, daß niemand näher als anderthalb Meter an sie herankonnte. Nicht etwa, daß Monk das Bedürfnis gehabt hätte! Er hätte sich auch lieber der Verpflichtung zu höflicher Konversation entzogen, aber das war ihm nicht gestattet.
Deirdra saß ihm schräg gegenüber; hin und wieder begegnete er ihrem Blick und lächelte. Langsam fürchtete er, hier seine Zeit zu verschwenden, auch wenn er wenigstens einen der Gründe kannte, aus denen Oonagh ihn eingeladen hatte. Sie wollte wissen, ob er der Antwort auf die Frage, wo Deirdra ihr Geld gelassen hatte, näher gekommen war. Oder wußte sie es bereits und brauchte nur die entsprechenden Beweise von ihm, damit sie Deirdra gegenübertreten und den Streit vom Zaun brechen konnte, den der Mord an Mary hatte verhindern sollen?
Als er über den Tisch in Deirdras nettes, intelligentes, selbstbewußtes Gesicht blickte, konnte er es nicht glauben. Sie mochte in den Augen mancher Leute einen unmoralischen Lebenswandel führen, war offensichtlich verschwenderisch, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß sie Mary Farraline ermordet hatte.
Aber er hatte sich schon öfter getäuscht, besonders dann, wenn es um Frauen ging.
Nein – das war nicht richtig. Er hatte sich getäuscht, was ihre Kraft, ihre Loyalität und sogar was ihre Leidenschaften und Überzeugungen, aber nicht was ihre kriminellen Energien anging. Warum mißtraute er sich nur selber so sehr?
Weil er Hester nicht helfen konnte. Er saß hier im strahlenden Kerzenschein bei einem üppigen Mahl, inmitten klappernder Bestecke und klingender Gläser, rauschender Seide und raschelnder Spitze, und Hester saß in einer Zelle in Newgate und wartete auf ihren Prozeß, und wenn man sie schuldig sprach, wartete auf sie der Galgen! Er fühlte sich wie ein Versager.
»… Kleid steht Ihnen wunderbar, Mrs. Farraline«, sagte gerade jemand zu Deirdra. »Außergewöhnlich gut!«
»Vielen Dank«, erwiderte Deirdra artig, aber ohne die Freude, die Monk nach einem solchen Kompliment bei ihr erwartet hätte.
»Ganz reizend«, fügte die stattliche Person neben Monk noch hinzu und zog dabei ungnädig die Mundwinkel nach unten.
»Wirklich ganz reizend. Ein wunderbarer Schnitt, und schwarze Perlenstickerei ist ganz besonders elegant, denke ich immer. Ich hatte einmal ein ganz ähnliches Kleid, wirklich sehr ähnlich. An den Schultern war es etwas anders geschnitten, wenn ich mich recht erinnere, aber Muster und Stickereien waren gleich.«
Ein Herr sah sie verwundert an. Ihre Bemerkung war seltsam und nicht besonders höflich.
»Letztes Jahr«, fügte die stattliche Dame entschieden hinzu. Ganz spontan, einer plötzlichen Eingebung folgend,
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