Dunkles Begehren
er jedoch nicht über
eigenen Reichtum verfügte, würden andere Karpatianer großzügig dazu beitragen,
ihm den Neuanfang zu erleichtern. Man half sich gegenseitig in Notzeiten. In
der karpatianischen Gesellschaft bedeutete Reichtum nichts. Er war nur dazu
gedacht, das Überleben des Volkes zu sichern und ihr Geheimnis zu wahren. Zwar
hatte Gabriel noch keine Gelegenheit gehabt, seinen Besitz einzufordern, doch
er würde damit nicht lange warten. Jedenfalls konnte Francesca nichts anderes
tun, als sich nach den Sitten ihres Volkes zu richten und Gabriel zu helfen.
»Ich habe ihn darum
gebeten, sich so bald wie möglich eine andere Unterkunft zu suchen, werde ihn
jedoch nicht dazu zwingen, mein Haus zu verlassen. Und nun erzähle mir von deiner
Patientin, sonst gehe ich nach Hause.« Sie meinte es ernst. Wenn Brice sie noch
mehr bedrängte, würde sie sich umdrehen, das Krankenhaus verlassen und nie
zurückkehren.
Brice erkannte die
Endgültigkeit in ihrem Tonfall. »Sie ist vierzehn Jahre alt und sieht aus, als
wäre sie von einem Zug überfahren worden. Die Röntgenbilder zeigen viele
Knochenbrüche, von denen einige nicht behandelt wurden. Sie liegt praktisch im
Koma. Zwar sieht sie mich an, spricht jedoch kein einziges Wort. Ich kann nicht
einmal sagen, ob sie mich überhaupt hört. Es geht ihr wirklich sehr schlecht.
Sie hat eine schlimme Narbe auf ihrem Rücken, und auch ihre Arme und Hände sind
von Narben übersät, als hätte sie sich unzählige Male verteidigen müssen. Sie
sieht aus, als wäre sie oft geschlagen worden. Ihr Vater hat sie hergebracht.
Ein großer, unsympathischer Kerl, der keine Auskunft gegeben hat. Es gibt
keine anderen Verwandten. Die Polizei sagt, der Mann sei vorbestraft, jedoch
nicht wegen Kindesmissbrauchs. Ohne ihre Aussage können wir nicht beweisen,
dass der Vater sie misshandelt hat, und sie kann nicht mit uns sprechen. Er
will sie nach Hause holen, behauptet, sie sei zurückgeblieben, doch das glaube
ich nicht.«
Francesca brach es
das Herz. Sie verabscheute diese Art von Verbrechen und hatte immer dafür
gekämpft, Frauen und Kinder in Sicherheit zu bringen. Doch die Unterkünfte
reichten niemals aus. Vierzehn Jahre alt. Warum quälte und misshandelte ein
Vater sein eigenes Kind, während ihr Volk so schwer darum kämpfte, die Kinder
zu retten? Karpatianische Männer beschützten Frauen und Kinder mit ihrem Leben.
Es ergab einfach keinen Sinn, und Francesca fühlte mit dem armen Mädchen, dass
niemand vor dem Mann beschützte, der sie eigentlich am meisten lieben sollte.
»Gab es auch sexuellen Missbrauch?«
Brice nickte. »Ganz
sicher. Dieses Kind wurde so schrecklich misshandelt, dass es mich ganz krank
macht.«
Brauchst du meine
Hilfe, Liebste? Gabriels schöne Stimme hallte sanft durch ihre
Gedanken.
»Zeige sie mir,
Brice«, bat Francesca sanft. Ein Kind wurde misshandelt. Ich sehe es mir jetzt an.
Brice verdächtigt den Vater. Ohne darüber nachzudenken, sandte sie Gabriel alle Informationen,
die Brice ihr gegeben hatte. Ich komme damit zurecht.
Ich erwarte von
dir, dass du mich rufst, falls du Hilfe brauchst. Sein sanfter
Befehl wurde von einer Welle von Wärme und Trost begleitet. Francesca spürte
Gabriels starke Arme, die sie festhielten, während sie sich einer neuen schwierigen
Aufgabe zuwandte.
Kapitel 4
Brice öffnete die
Tür zum Zimmer des Mädchens und trat dann zurück, um Francesca Platz zu machen.
Glücklicherweise war der Vater des Mädchens nicht anwesend. Der Mann war ein
Tyrann, und Brice hatte Angst vor ihm. Er durchquerte den Baum und lächelte die
Kleine sanft an, die sich im Bett zusammenkauerte. Sie blickte nicht auf oder
ließ sich auf andere Weise anmerken, dass sie ihre Besucher zur Kenntnis genommen
hatte.
»Skyler, ich möchte
dass du eine Freundin von mir kennen lernst. Ich weiß, dass du mich hören
kannst, Skyler. Das ist Francesca. Sie ist eine außergewöhnliche Frau. Du musst
dich nicht vor ihr fürchten.«
Francesca
beobachtete Brice, und ihr fiel auf, wie vorsichtig er sich in Skylers
Gegenwart bewegte. Die Art, wie er mit kranken oder verletzten Kindern umging,
hatte sie schon immer an ihm bewundert. Er kümmerte sich wirklich um die
Kinder. Es konnte nichts mit Geld zu tun haben, dessen war sich Francesca
sicher. Brice wollte diesen kleinen verlorenen Seelen tatsächlich helfen. Sie
schenkte ihm ein warmes Lächeln und ging dann zu dem Stuhl, den Brice neben dem
Bett für sie aufgestellt hatte.
»Hallo, Skyler.
Weitere Kostenlose Bücher