Dunkles Begehren
völlig verängstigten
Seele. »Ich kann dich nicht belügen. Ich weiß, du möchtest nicht in diese Welt
zurückkehren, und das kann ich dir nicht verdenken. Du bist sehr weit von
deinem Körper fortgegangen, damit du ihn nicht mehr sehen
oder hören musst. Damit du nicht mehr fühlen musst, was er dir antut. Ich
kann dich heilen. Ich kann all die Dinge fortnehmen, die er dir angetan hat,
die Narben auf deinem Körper. Ich kann die Nachwirkungen dieser Taten lindern,
damit du wieder befreit leben kannst. Es wäre dir sogar möglich, einmal selbst
ein Kind zu bekommen, falls es dein Wunsch ist. Du könntest deine eigene
Familie haben. Doch da gibt es etwas, das du mir vor allen anderen Dingen
glauben musst: Du bist nicht im Mindesten für die Dinge verantwortlich, die dir
geschehen sind. Ich weiß, er machte dich glauben, du seist wertlos. Doch die
Wahrheit ist, Skyler, dass er deine natürliche Güte und strahlende Schönheit
nicht ertragen konnte, denn sie erinnerten ihn jeden Tag an seine eigene
krankhafte Verdorbenheit.«
Sanft strich
Francesca Skyler das matte Haar aus der Stirn und beugte sich dann über sie.
Sie wollte die Kleine für immer festhalten, sie beschützen und ihr die Liebe
geben, die sie verdiente. Warum hatte sie dieses Kind nur nicht früher
gefunden, bevor sein grausamer Vater ihm schreckliche Dinge angetan hatte? Sie
spürte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, und der Kummer lastete schwer
auf ihrer Brust. Die älteren Karpatianer empfanden alle Gefühle viel
intensiver als die jungen.
Am liebsten hätte
sich Francesca neben das Mädchen aufs Bett gelegt und geweint, doch stattdessen
zwang sie sich dazu, über den Schmerz hinauszublicken, der sie und Skyler nun
miteinander verband.
Francesca schloss
die Augen und konzentrierte sich ganz auf die junge Frau, während sie sich aus
ihrem Körper löste, bis sie nur noch aus reiner Energie und hellem Licht zu
bestehen schien. Sofort versenkte sie sich ins Skyler. Der Körper der jungen
Frau schien nur noch aus gerissenen Muskeln, gebrochenen Knochen und
verletztem Gewebe zu bestehen. Überall gab es Narben, und Skylers Körper fühlte
sich an manchen Stellen so leblos an, als hätte ihre Seele ihn vor langer Zeit
verlassen. Doch so war es nicht, das wusste Francesca. Sie hatte die Verbindung
zu dem Mädchen aufgenommen. Skyler hörte ihr tief im Innersten zu. Ein zarter,
verängstigter Hauch einer Seele, der nur durch den sanften Befehl in Francescas
Stimme hervorgelockt worden war. Offenbar wollte Skyler herausfinden, ob sie
die Wahrheit sagte. Und wie hätte Skyler es auch glauben sollen? Francesca
hatte nur mit ihrer Andersartigkeit und den klaren, silbrigen Tönen in ihrer
Stimme überhaupt Skylers Aufmerksamkeit erregt.
»Kleines«,
flüsterte Francesca leise. »Kleines, es tut mir so leid. Ich konnte nicht
schneller zu dir kommen, doch jetzt werde ich dich nicht mehr allein lassen.
Ich werde immer über dich wachen und dafür sorgen, dass dir niemals wieder so
etwas Schreckliches geschehen kann.« Sie näherte sich dem winzigen Hauch von
Lebenskraft. »Komm zurück und lebe, Skyler. Ich kann dir dein Leben
zurückgeben. Zwar bin ich nicht deine Mutter, das weiß ich, doch ich werde
niemals mehr zulassen, dass dir ein Leid geschieht. Darauf gebe ich dir mein
Wort - und ich tue es nicht leichtfertig.« Vorsichtig bewegte sich Francesca
weiter und erfüllte das unglückliche, verzweifelte Kind mit ihrem Licht, ihrem
Mitgefühl und der ganzen Kraft ihrer Güte. »Glaube mir, vertraue mir. Ich kann
dich besser beschützen als alle anderen, das weiß ich. Höre auf meine Stimme,
Skyler. Ich wäre nicht in der Lage, dich anzulügen. Komm, du kannst die
Wahrheit in meinen Worten spüren.«
Ihre Stimme war so
hypnotisch, dass sich Skyler unwiderstehlich davon angezogen fühlte. Francesca
durchflutete das Mädchen mit Wärme und Sicherheit, mit dem Versprechen, sie nie
wieder ihrem brutalen Vater auszusetzen. Skyler musste nur ins Leben
zurückkehren und Francesca ein wenig Vertrauen schenken.
Leise stimmte
Francesca einen traditionellen karpatianischen Heilgesang an. Die Worte waren
so alt wie die Zeit selbst. Dann machte sie sich daran, Skylers verletzten
Körper zu heilen. Sie arbeitete schnell und sorgfältig und achtete auf jede
Einzelheit, damit auch nicht die geringste Spur der Schläge oder
Vergewaltigungen in Skylers Körper zurückblieb. Nach einer Weile bemerkte sie
einen eigenartigen Missklang. Da sie nun gänzlich mit Skyler
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