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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Schröder
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heraus.
    Schnell sah Jarout sich so der Länge nach zur Hälfte gespalten um, ob er beobachtet wurde. Als klar war, dass er nicht auffiel, zog er auch die andere Hälfte seines Körpers nach und trat auf die Straße hinaus.
    Das Glas waberte noch einen Moment lang wie eine aufgewühlte Wasserfläche, ehe es sich schloss und harmlos wie zuvor die Leuchtschriften der Neonreklamen und die Lichter der Geschäfte, Restaurants und Pubs reflektierte.
    Menschen zogen in stetem Strom an ihm vorbei. Erstaunlich, wie ihm immer wieder gelang, ganz einfach so aus einem Spiegel oder einer Fensterscheibe aufzutauchen, ohne dass ihn wenigstens einer von diesen vielen bemerkte. Doch in ihrer Masse, jeder von ihnen viel zu sehr damit beschäftigt, seinen eigenen kleinen Gedanken und Träumen nachzuhängen, fiel das nicht auf.
    Tief sog er die Luft ein. Ah, was für ein Duft! Sie waren zu viele, um einzelne unter ihnen auszumachen. Doch gerade das gefiel ihm ja so. Sie waren wie ein einziges, riesiges Wesen, zusammengesetzt aus zahllosen kleinen, das sich die Straße entlangrollte und dabei seine Duftmarke setzte.
    Beschwingt betrachtete er sein Spiegelbild in der Scheibe und was er sah, war das lächelnde Gesicht eines jungen, zwanzigjährigen Mannes, wie sie zu Hunderten nachts hier herumliefen. Äußerlich war er wirklich nichts Besonderes. Ein schmales Gesicht mit gerader Nase, hoher Stirn und energischen Augen, gerahmt von schulterlangem, in der Mitte der Stirn gescheiteltem, dunklem Haar.
    Seine langen Beine steckten in engen, schwarzen Jeans. Aus der mit Schafsfell gefütterten Lederweste quoll ein übergroßer, bordeauxroter Pullover, dessen zu lang geratene Ärmel über seine Hände fielen und den einzigen Schmuck, den er trug, verbargen: zwei breite, mit scharfen Klingen versehene Silberringe an den Zeigefingern. Schlampig hätte Blanche ihn genannt, könnte sie ihn so sehen. Aber im Gegensatz zu ihr fiel er lieber so wenig wie möglich, und vor allem nicht unnötig, auf. So konnte er zu einem Teil dieses Menschentieres werden, ohne Misstrauen zu erregen.
    Den Mund zu einem breiten Grinsen verzogen, das seine hellen Augen blitzen ließ, würdigte er seine dennoch ausgesprochen attraktive Erscheinung. Zu unauffällig wollte er schließlich auch nicht sein. Sie sollten ihn schon anschauen und sich fragen, wer wohl dieser gut aussehende Junge ist und ob er vielleicht schon jemanden für diese Nacht gefunden hatte. Er liebte es, wenn sie sich ihm anboten.
    Halb im Gehen gewandt, überprüfte er noch schnell den korrekten Sitz der Ringe und warf einen letzten zufriedenen Blick über die Schulter.
    Ja, ja, ein schönes Äußeres erleichterte das Leben ungemein, wenn es wirklich drauf ankam. Dieser ganze verlogene - Es-kommt-nicht-auf-das-Äußere-an - Scheiß ging ihm schon immer auf die Nerven. Jedenfalls, seit er kapiert hatte, dass die wenigsten Leute sich dafür interessierten, was jemand im Kopf hat, wenn sie sich von seinem Körper angezogen fühlten. Was das angeht, ist die Evolution des intelligenten Homo sapiens in der Steinzeit versumpft, meinte er.
    Er war zweifelsohne aufgrund seines Aussehens zu einer sehr glücklichen und befriedigenden Existenz auf der Sonnenseite des Lebens bestimmt, und was einem das Schicksal schenkte, sollte man nutzen. Nimmt man allerdings den Begriff »Sonnenseite« wörtlich, so traf das auf ihn allerdings nicht zu. Die Sonne hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Doch er erinnerte sich noch gut daran, dass er während seiner Kindheit durch teils trotzige, teils neugierige Versuche einen Blick auf sie zu riskieren, seine Mutter beinahe in den wohlverdienten Wahnsinn getrieben hatte.
    Jetzt, als erwachsener Hirudo, wusste er natürlich die Nächte zu schätzen und auch all die anderen Vorteile und Vergnügungen, die sie ihm boten.
    Am liebsten waren ihm die hellen Vollmondnächte des Sommers. Wenn die hereinbrechende Dunkelheit die Nebel aus den Tiefen der Themse sog und in die Straßen der Stadt trieb, in denen sie einen Schleier der Irrealität webten.
    Auch diese Nacht stand der Mond voll und perlweiß über Soho. Eine leichte Brise tanzte ihren milden Reigen durch die Straßen, die voll wie ein Fluss waren. Wie immer boten die menschenvollen Straßen ein üppiges Angebot duftender Leiber, die nur darauf warteten, begutachtet und ausgewählt zu werden.
    Ah, dieser Mond! Jedes Mal aufs Neue brachte er Jarout dazu, wie hypnotisiert innezuhalten. Mit seinem Silberlicht fing er seinen Blick

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