Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
jeweiligen Tischseiten.
Karen schob einen der Schlüssel ins rechte Türschloss. Er passte. Sie bückte sich, um zu sehen, welche Wunder sie erwarteten. Oh, und was für Wunder! Zwei Lexika und ein Karton mit Kugelschreiberminen.
Hinter der anderen Tür ähnlich nichtssagende Leere. Wütend knallte sie die Tür zu und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Oh ja, hier sitzt er! dachte sie zynisch, wenn er wichtige Leute zu Besuch hat, mit denen er noch wichtigere Geschäfte bei einer Tasse Kaffee beplaudert.
Aufgebracht versetzte sie der wieder aufgeschwungenen Tür einen Tritt. Zum Teufel! Sollte sie jetzt etwa das ganze verdammte Haus nach einem bescheuerten Schlüssel durchsuchen? Das konnte ja Tage dauern. Und was, wenn Lucas wie Denis den Schlüssel zu seinem Heiligtum ständig mit sich herumschleppte? Dann wäre die ganze Rennerei ohnehin umsonst.
Moment mal! durchfuhr es sie. Hastig beugte sie sich über die noch geöffnete Schublade. In Filmen wimmelten alte Möbel doch immer vor irgendwelchen Geheimfächern? Falls das nicht nur ein Gerücht war, sondern die Möbelbauer früherer Zeiten tatsächlich eine Schwäche für solche Dinger hegten, dann musste auch hier ...?
Langsam schob sie die Schublade so weit wie möglich zurück, stand auf und beugte sich vor. Dabei versuchte sie ihren Kopf so zu drehen, dass sie mit dem linken Auge durch den verbliebenen, schmalen Spalt unter die Tischplatte linsen konnte, um einen versteckten Knopf oder Hebel zu entdecken. Doch sie konnte nichts erkennen. Vorsichtig zog sie die Lade wieder heraus und schob ihre rechte Hand hinein. Nichts! Außer der glatten Holzplatte und einigen Wurmlöchern.
Aber da waren noch die Seitenfächer! Mit der Schreibtischlampe in der Hand hockte sie sich erst vor die linke, dann vor die rechte Seite. Sorgfältig leuchtete sie jeden Winkel aus, schob die Bücher und braunen Umschläge zur Seite, klopfte an den Seitenwänden, dem Boden und sogar an die Unterseite der Tischplatte. Doch wieder nichts.
«Ahh», rief sie laut, «das ist doch wohl nicht zu fassen! Was bist du für ein Kerl, dass du nicht einmal das klitzekleinste private Ding in deinem gottverdammten Arbeitszimmer aufbewahrst!»
Zornig knallte sie die Lampe auf die Tischplatte, sodass das Licht wie erschrocken kurz aufflackerte. Dann schnappte sie das Buch und blätterte hektisch Seite um Seite um, schüttelte es schließlich kopfüber in der Hoffnung, dass vielleicht ein loses Blatt oder irgendetwas, das sie gestern übersah, herausfiel.
Nichts! Wütend schleuderte sie es gegen die Wand und stürmte aus dem Zimmer. Dort drinnen war eh nichts zu finden. Sollte Lucas doch an seiner Geheimnistuerei ersticken. Sollte er doch mit seiner sterilen Ordnung glücklich werden. Irgendwo in diesem gottverdammten Schuppen musste ein Werkzeugkasten zu finden sein und dann käme sie auch ohne einen lächerlichen Schlüssel in sein Zimmer hinein.
«Warte nur ab, Lucas Vale! Ich bin hier, hörst du? Ich bin hier», schrie sie, als sie das Zimmer verließ, «und ich gehe nicht eher, bis ich dich dazu bringe, so zu leiden, wie ich litt.»
Gellend warf die hohe Decke der Eingangshalle ihre schrille Stimme zurück, und jede Silbe dröhnte wie ein Hammerschlag in ihrem Ohr. «Hörst du mich! Ich bin hier, Vater!»
Mit wutverzerrtem Gesicht wirbelte sie herum. Ich bin hier! schrie es aus ihrer Seele und mit der Wucht eines Orkans schleuderten ihre geballten Emotionen wie eine geladene Waffe gegen die versiegelte Kellertür. Das schimmernde Holz erzitterte und bebte unter dem Ansturm, doch der von den Hirudo über den Zugang zu ihrem Schlafplatz gelegte Schutzwall hielt stand. Stattdessen entlud sich der gesamte Schlag ihrer Gedankenkraft über die Marmorstatue, die mit infernalischem Poltern zu Boden ging. Die weißen, gebogenen Flügel zerbrachen und ihr Kopf rollte holpernd, und auf erschreckende Weise an das abgeschlagene Haupt eines Hingerichteten erinnernd, quer durch die Halle. Mit einem lauten Schlag prallte er an die Wand neben der Haustür und zerbarst in tausend Stücke. Dann kehrte Stille ein, Grabesstille.
Atemlos und vor Schreck gelähmt starrte sie auf die zerbrochenen Gliedmaße der Statue. Nie hätte sie für möglich gehalten, zu einem solchen Schlag fähig zu sein. Wie konnte sie nur so wütend werden? Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Diese Entschlossenheit war wie eine neue Stimme in ihr, die ihre eigene, zurückhaltende alte, laut übertönte. Doch selbst jetzt,
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