Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
ganz am Ende ist es dann. Das Zimmer ist aber abgeschlossen, das sage ich dir gleich, und ich habe keine Ahnung, wo der Schlüssel ist. Wenn du es so willst, dann musst du vor der Tür warten.»
Großartig! Armer Denis, ich danke dir, dachte sie. «Danke, Denis, das war wirklich lieb von dir.»
«Ich werde Ärger bekommen, nicht wahr?» Er sah sie mit dem entsetzten Blick eines schuldbewussten, kleinen Jungen an, dessen Ball, trotz strenger Mahnung seiner Eltern damit ja nicht im Haus herumzukicken, gerade in einer teuren Fensterscheibe gelandet war.
«Nein, das wirst du nicht. Aber wenn du Angst hast, dann verspreche ich dir, niemandem zu verraten, wie ich das Zimmer gefunden habe. Ich werde einfach sagen, dass ich gut im Suchen bin.»
Aufmunternd lächelte sie. Für einen kurzen Augenblick kam es ihr vor, als wäre er ein wenig erleichtert. Sie wunderte sich nur, dass er sich überhaupt so sehr vor einer möglichen Strafe ängstigte. War Lucas denn nicht der verständnisvollste und beste Vater der Welt, als den er ihn beschrieb? Igitt, so weit war sie also schon, dass sie schadenfroh über die idealisierten Gefühle anderer feixte.
«Nun geh schon! Und mach dir keine Sorgen, ja? Lucas wird nicht böse sein. Ich verrate nichts, und wenn er die Nachricht hat, bin ich so gut wie weg», rief sie hinterher, als er schon die Treppe hinunter gelaufen und aus ihrer Sicht verschwunden war. Er antwortete nicht mehr. Stattdessen hörte sie die Kellertür dumpf hinter ihm ins Schloss fallen. Sie schloss erleichtert die Augen. Jetzt schliefen sie alle und die nächste Nacht lag noch in weiter Ferne. Ihr blieben Stunden, um in aller Ruhe jeden Winkel in Lucas Haus zu durchwühlen. Und diesmal wollte sie das richtig anstellen und sich nicht wieder durch ihre Angst vor dunklen Gängen abschrecken lassen. Entschlossenen Schritts stapfte sie die Treppe hinunter. Denis sagte, die Tür zu Lucas Zimmer wäre abgeschlossen. Also brauchte sie entweder den Schlüssel oder Werkzeug, um sie aufzubrechen. Selbst für so einen Akt roher Gewalt fühlte sie sich bereit. Diesmal konnte sie nichts abschrecken. Auch so ein albernes Gewitter nicht. Ist ja lächerlich! Das hier ist schließlich nicht Draculas Schloss! dachte sie und ertappte sich gleich darauf, wie sie mit angehaltenem Atem auf das Ende eines weiteren, ohrenbetäubenden Donnergrollens lauschte, unter dessen Ansturm die Fensterscheiben erzitterten.
15. Kapitel
Seamus sah ihn auf diese besondere, ruhige Art wie eine beleidigte Katze an, von der er ganz genau wusste, dass sie ihn mürbemachte und ein garantiert schlechtes Gewissen bereitete. Zwar lag er ganz still in seinem Schrankkoffer, doch Lucas wusste genau, dass er ganz und gar nicht mit seiner Entscheidung einverstanden war. Aber wann war er das schon? So gut wie nie. Nur diesmal konnte Lucas ihn wirklich verstehen.
Auch er selbst fühlte sich nicht besonders wohl dabei, Hals über Kopf sämtliche Verabredungen, die für die kommende Nacht anstanden, abzusagen und völlig überstürzt gleich nach Genf weiterzureisen. Und dazu noch am helllichten Tag. Seamus war nicht der Einzige, der sich Gedanken darüber machte, wie groß dieses Risiko war. Eigentlich führten sie diese Koffer nur für den absoluten Notfall mit. Diese auf ihren Fahrten mitzunehmen war Seamus Idee gewesen, der dabei eher an Probleme wie Verspätungen im Fahrplan oder ähnlich Unvorhersehbares, das sie davon abhielt, rechtzeitig einen Schlafplatz für den Tag zu finden, gedacht hatte. Nie war beabsichtigt gewesen, sie derart zweckentfremdet einzusetzen. Der Transport ihrer schlafenden Körper in zwei Schrankkoffern, aus so unerfindlichem Grunde wie einem bloßen Gefühl heraus, war ein geradezu wahnsinniges und waghalsiges Unterfangen. Natürlich konnte jemand auf die Idee kommen, einen der beiden Koffer zu öffnen, die er unter seinem Namen nach Genf schickte, und deren Inhalt sie beide waren. Auch war ein Unfall nicht auszuschließen, bei dem der Zug entgleiste oder ein Feuer ausbrach. All dessen war sich Lucas durchaus bewusst. Und dennoch konnte er nicht anders handeln. Was er spürte, war so dringend, dass er sich obendrein auf einen schlimmen Streit mit Seamus einließ, und schließlich sogar mit der dreisten Drohung, allein weiterzufahren, wenn er ihn nicht begleiten wolle, den Sieg erkämpfte.
Ausschlaggebend für den ganzen Aufstand war, was Blanche Seamus am Telefon erzählte. Sie erwähnte ihm gegenüber ein Mädchen, das mit Jarout in
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