Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
dieser beinahe unmerklich nickte.
»Arweth?« Seamus war unbemerkt herangetreten. Er hielt ein kleines, sorgfältig verschnürtes Päckchen in den Händen. Der Älteste sah ihn auffordernd an.
»Das hier kam vor ein paar Minuten hier an.« Er reichte ihm die braune Pappschachtel. »Scheint wichtig zu sein, ein Expressservice lieferte es.« Verwundert nahm Arweth die Sendung entgegen. »Ohne Absender, aber keine Sorge«, sagte Seamus. »Kein Ticken, kein auffälliger Geruch. Scheint sauber zu sein.«
Arweth lächelte ironisch. Wollte jemand tatsächlich einen Anschlag auf ihn verüben, dann sicher nicht auf eine dermaßen plumpe und zweifelsohne wenig effiziente Art. Neugierig machte er sich daran, das mehrmals verknotete Paketband aufzuschnüren. Lucas versuchte den Blick des Ältesten zu deuten, als er den Inhalt erblickte. Über Arweths Schoß gebeugt sah er ein kleines, glitzerndes Schmuckstück, gebettet auf blauem Stoff.
»Was ist das?«, fragte er.
Schwer atmend nahm Arweth das goldene Kleinod in seine zitternden Finger. Lucas erkannte eine geflügelte, goldgefasste Sonne aus rotem Edelstein mit blauen Lapisschwingen. Auf der Rückseite war eine Nadel wie bei einer Brosche angebracht. Das Schmuckstück erinnerte ihn an ein ägyptisches Motiv, aber er war nicht sicher. Ein Geschenk? Aber warum reagierte Arweth dann so seltsam? fragte sich Lucas verwundert.
Mit schreckgeweiteten Augen ließ der Älteste die Brosche zurück in die Schachtel fallen. Dann nahm er den beiliegenden Brief heraus, faltete das Papier auseinander und las schweigend. Mit steingrauem Gesicht sanken seine Hände nieder und krampften sich um den Brief.
»Arweth, nun sag schon. Was ist denn?«, forderte Lucas ihn auf.
Ausdruckslos wanderten Arweths Augen zu Lucas. »Er lebt«, flüsterte er. Seine sonst so kraftvolle Stimme klang dünn und matt. Lucas spürte, wie ihm Angst mit klammen Fingern den Rücken hochkroch.
»Dieser Satan ist noch am Leben«, donnerte Arweth, sprang auf und schleuderte mit aller Kraft das Päckchen von sich. Polternd krachte es gegen die Wand, wo es abprallte und mit lautem Krachen auf dem Boden landete. Die Brosche fiel heraus und sprang mit leisem Klirren über den Marmor. Aufgebracht reichte Arweth Lucas den Brief. »Hier, lies selbst. Dieser Mörder, diese Bestie. Erst bringt er Phoebe um und jetzt kommt er zurück, um unsere Rache an ihm zu vergelten. Doch damit kommt er nicht durch. Ich werde ihn umbringen. Sappho!«, brüllte Arweth und stürmte durch die Tür zum Musikzimmer.
Seamus, der das Paket und die Brosche eingesammelt hatte, kam zu Lucas. »Was um Gottes willen hat er denn nur?«
»Angst, Seamus, Arweth hat Angst. Und die hätte ich auch. Hast du gehört, was er sagte? Phoebe war doch eine seiner Töchter, nicht wahr? Er hat mir mal von ihr erzählt. Sie wurde ermordet, sagte er. Aber das ist Jahrhunderte her. Offenbar ist der Schreiber dieses Briefes auch der, der sie getötet hat. Und jetzt hat der Kerl Serena. Er schreibt, dass Arweth wisse, wo er ihn findet. Irgendwas mit einer Kirche. Genau verstehe ich das auch nicht.«
»Darf ich?« Seamus zupfte das Blatt aus Lucas Fingern. Nach kurzem Blick darauf reichte er es ihm schweigend zurück.
»Und, sagt dir der Kauderwelsch mehr?«
»Allerdings. Schätze, du musst dir jetzt nicht mehr allzu viel Gedanken um Sapphos Wünsche machen.«
»Lucas!« Arweth kehrte zurück. Mit wildem Blick stürzte er auf den Angesprochenen zu. »Wir müssen uns beeilen. Du musst mich begleiten. Ich weiß, wo Serena ist und wenn wir nicht so schnell wie möglich dorthin kommen, ist sie verloren.«
Verwirrt blickte Lucas abwechselnd zu Seamus und wieder zu Arweth. »Aber das ist mit Sicherheit eine Falle«, rief er aus.
»Natürlich ist das eine Falle, aber hast du den Auslieferungstermin gesehen. Das Paket sollte erst heute früh um sieben Uhr dreißig abgegeben werden. Der Lieferdienst muss etwas verwechselt oder gedacht haben, je eher es ankommt umso besser. Dieser Mistkerl rechnet folglich damit, uns erst morgen Nacht zu sehen. Aber diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun.« Hastig warf Arweth seinen Mantel über.
»Da wird er eine nette Überraschung erleben. Los, komm, wir dürfen keine Sekunde verlieren!«
Vergessen schienen Sappho und die Allianz. Arweth zerrte Lucas mit sich zur Kellertür. Kaum dass er wusste, wie ihm geschah, waren sie bereits in den Spiegeln und unterwegs zu einer kleinen Kirche in einem Ort namens Lörringen.
~ 6. Kapitel
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