Dunkles Erwachen
Vanderbuildt, Meneer?«, begrüßte sie ihn und schenkte ihm einen leuchtenden Blick.
Der ältere Mann registrierte es mit Amüsiertheit und breitete die Arme offen aus.
»Janet, Liebes! Fein, Sie zu sehen!«, erwiderte er ihren Auftritt. »Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
Ungefragt setzte sich die junge Frau auf die Kante des Schreibtisches und schlug die Beine übereinander. Der ohnehin schon kurze Rock rutschte noch ein Stück nach oben.
»Moment … kommen Sie. Sie wissen, dass ich misstrauisch werde, wenn Sie so freundlich sind. Was steht an?«
Sie bedachte ihn mit einem einstudierten Lächeln und fuhr abwartend mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die kühle Tischplatte. Aus Vanderbuildts Mimik wich jedes spielerische Element. Seine Stimme füllte den Raum völlig aus, während er seine Mitarbeiterin taxierte.
»Wir hatten in Kenia eine Search-and-Rescue-Mission. Einer unserer … Außendienstmitarbeiter ist verloren gegangen. Das Team hat ihn anscheinend gefunden. Wir hatten nur kurz über Satellit Verbindung zu der Einheit.«
Nachdenklich legte er die Hand an das Kinn und senkte den Blick.
»Es sieht so aus, als ob unser Vermisster das gesamte Team ausgelöscht hat.«
Überrascht keuchte Janet Verhooven auf. Sie wusste nur zu genau, welche »Außendienstaktivitäten« Vanderbuildt Industries betrieb. Sie war selbst seit mehreren Jahren im ›inoffiziellen Dienst‹ tätig und hatte einige Einsätze in der Industriespionage, der Sabotage und der Abwerbung von Mitarbeitern absolviert.
Eine gewisse Unruhe erfüllte sie. Ihre Augen blitzten auf, während sie auf weitere Informationen wartete.
Vanderbuildt ließ sie nicht warten.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, fuhr er mit einem verzerrten Lächeln fort. »Nun, besorgen Sie mir Informationen über ihn – so viel wie möglich! Alle zur Verfügung stehenden Daten sind bereits auf Ihr ComPad übertragen.«
Janet holte das Gerät aus der Jackentasche und rief die Daten hab. Sie verzog den Mund und wirkte unzufrieden.
»Das ist doch nicht alles, oder? Da könnte ich eher nach dem Heiligen Gral suchen.«
Vanderbuildt zog den Zettel hervor und reichte ihr das Phantombild.
»Ah«, entfuhr es der blonden Frau. »Beeindruckend. Haben Sie seine Telefonnummer?«, kommentierte sie das Bild. Sie hatte sich zurückgelehnt und stützte sich auf dem Schreibtisch ab.
»Warum kann ich ihn nicht gleich mitbringen? Bevor er noch mehr Schaden dort unten anrichtet?«
Vanderbuildt blickte kurz aus dem Fenster. Die Sensoren im Glas sorgten dafür, dass die eingebauten Flüssigkristalle die Oberfläche nachdunkelten, sobald die Sonne direkt in den Raum zu scheinen begann.
»Weil er da unten ganz gut aufgehoben ist. Ich weiß, dass ich ihn dort finde«, antwortete er. Kommentarlos ging er an seinen Schreibtisch zurück und zog ein leeres Blatt Papier aus einer Ablage. Schnell machte er sich einige Notizen, ohne die junge Frau zu beachten.
»Ihre Maschine geht in zwei Stunden«, ließ er sie wissen. »Offiziell arbeiten Sie als Bevollmächtige für meine Umweltaktivitäten und verschaffen sich ein Bild über die Zustände in den Nationalparks. Die ansässige Miliz sollte Ihnen alle Probleme vom Leib halten. Auf die Armee verlasse ich mich nicht. Zwei Leute werden Sie dort empfangen – eine Firmenjournalistin und ein ortskundiger Mitarbeiter, beide zu Ihrer freien Verfügung. Beide sind nicht eingeweiht.«
Erst jetzt sah er die junge Frau wieder mit einem gewinnenden Lächeln an.
»Sehen Sie sich nach ihm um. Und berichten Sie mir. Und lassen Sie ein paar schöne Naturfotos für unser nächstes Firmenmagazin machen. Umwelt verkauft sich immer gut.«
»Ich weiß nicht«, Janet zog einen Schmollmund und schob herausfordernd das Kinn nach vorne. »Sie verheimlichen mir doch eine ganze Menge!«
Vanderbuildt lachte laut auf.
»Natürlich tue ich das – ich bin Ihr Boss! Eines noch«, fügte er an, »bringen Sie mir eine DNA-Probe von ihm, wenn er tatsächlich noch lebt.«
Janet Verhooven lächelte ihn mit einem fragenden Ausdruck in den Augen an und senkte den Blick. Sie streckte sich und rutschte vom Schreibtisch.
»Nun gut«, entgegnete Sie ihm. »DNA. Ich sehe, was sich machen lässt. Ich lasse von mir hören.«
Auf ihrem Weg nach draußen achtete sie darauf, ihrem Chef einen guten Blick auf ihren Körper zu bieten, und lächelte ihm im Türrahmen zum Abschied einladend zu. Vanderbuildt sah ihr noch nach, nachdem sich die Türen längst hinter
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