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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kenlock
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war erfüllt vom Leben junger Menschen, von ihrem Lachen, von ihren Stimmen. Überall spross die Lebensfreude wie aufblühende Krokusse aus dem Boden. Der Geruch des Grases lag in der Luft. Ein Duft, wie ihn nur der Sommer kannte. Eve spürte das alles und nahm es doch nicht wahr.
    Die Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht. Sie hielt die Augen geschlossen. Sie wartete auf Steve. Es war ihr erste Verabredung, aber in Gedanken war sie ganz woanders.
    An einem Ort, an dem die Kälte herrschte.
    An einem Ort, an dem die Sonne nicht mehr schien.

    „Kind, du musst aufwachen!“, die Stimme ihrer Großmutter schreckte sie aus dem Schlaf. Im Zimmer war es dunkel, nur das Licht vom Flur fiel herein und vergoldete den Schatten, der ihre Großmutter war.
    Verschlafen rieb sich die elfjährige Eve die Augen. Ihr Herz klopfte wild, aber ihre Gedanken weilten noch in der Traumwelt.
    „Was ist denn, Grandma? Du klingst so aufgeregt?“, die helle Kinderstimme schwebte durch den Raum.
    Ihre Großmutter weinte. Sie fühlte es mehr, als sie es sah. Eve bekam Angst. Ihre Großmutter war eine lebenslustige Frau, die niemals weinte.
    „Eve, etwas Furchtbares ist geschehen.“
    „Was ist geschehen? Sag’ es mir!“
    „Deine Eltern ...“ Die alte Frau kam ins Stocken.
    Eves Augen wurden groß. Sie spürte den Verlust augenblicklich.
    „Sie sind tot. Nicht wahr?“
    „Ja, mein Kind. Sie sind tot.“

    Noch immer konnte Eve die Stimme ihrer Großmutter hören. Leer, verzweifelt, Worte sprechend, die keinen Sinn ergaben.
    Die Eltern tot? Mom und Dad, die versprochen hatten, sie nie allein zu lassen? Und doch war es wahr.
    Manchmal träumte sie noch von dieser Nacht, und wenn sie dann erwachte, konnte sie an ihrem feuchten Kissen sehen, dass sie im Schlaf geweint hatte.
    Ich vermisse sie noch immer.
    Ein Lufthauch berührte ihr Gesicht, und sie öffnete die Augen. Vor ihr stand Steve. Sein Lächeln wärmte ihr Herz, und als er die Hand ausstreckte, verblasste die Dunkelheit.
    „Na, wo möchtest du hingehen?“, fragte er.
    Der Geruch seiner Haut drang angenehm in ihre Nase. Sie blickte in seine braunen Augen, sah sein verstrubbeltes Haar.
    Ja, ich bin verliebt in ihn.
    Tief in ihr entfaltete sich ein Gefühl von Wärme, das eine Geborgenheit vermittelte, die sie nicht mehr empfunden hatte, seit ihre Eltern gestorben waren.
    „Keine Ahnung“, gab sie lachend zu. „Ich dachte, du hast vielleicht einen Vorschlag.“
    Steve grinste. „Wenn du möchtest, können wir zum East Potomac Park fahren.“
    Der East Potomac Park, gegenüber dem Soldatenfriedhof von Arlington, auf der anderen Seite des Flusses, war eine halbe Autostunde vom Campus entfernt und ein beliebtes Ausflugsziel bei den Studenten, die ihn ‘The Kissing Beach’ nannten.
    „Du hast doch nicht irgendwelche Hintergedanken?“, fragte sie schelmisch.
    Sein Grinsen wurde breiter. „Madame, Ihr könnt Euch auf meine Tugendhaftigkeit verlassen“, sagte er mit gespieltem französischem Akzent.
    Eve lächelte. Auf seine Tugendhaftigkeit konnte sie sich verlassen, aber nicht auf ihre eigene. Sie hatte vor, ihn noch heute zu verführen.

    Drei Jahre später waren sie noch immer ein Paar. Mit jedem der über eintausend vergangenen Tage hatte Eve ihn noch mehr lieben gelernt.
    Steve war ein offener Mensch, der eine Zuverlässigkeit ausstrahlte, wie es nur wenige junge Männer seines Alters konnten. Er war humorvoll, zärtlich und verständnisvoll. Sie liebte ihn von ganzem Herzen.
    Vor wenigen Tagen hatten sie ihren Abschluss gemacht. Steve mit Auszeichnung, sie immerhin im oberen Drittel ihres Jahrgangs. Eves Studium der Betriebswirtschaft und sein Studium der Informatik und der Biologie an der Georgetown-University lagen nun hinter ihnen, und dieses Ereignis musste gefeiert werden.
    Eve hatte Richard Cameron, einen ihrer Mitstudenten, eingeladen, mit ihnen einen Ausflug zu machen. Richard war ein Charmeur, intelligent und witzig. Wahrscheinlich würde er seine neueste Eroberung mitbringen, aber das war ihr egal. Richard hatte genau wie sie einen Grund zum Feiern. Umso überraschter war Eve, als er allein erschien.
    Er trug lockere Sommerkleidung, die seine schlanke Statur betonte. Sein blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. In seinem linken Ohr steckte ein goldener Ohrring, der in der Sonne blitzte. Die gute Laune stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    „Hi, Eve“, begrüßte er sie und beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Sie erwiderte die

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