Dunkles Feuer
ihr Haar.
„Du bist eine hübsche, junge Dame, und du musst endlich lernen, dich entsprechend zu benehmen. Wie sollst du später einmal einen Ehemann finden, der dir ein ansprechendes Leben bieten kann, wenn du wie ein Zigeuner herumläufst und die Manieren eines Trampels hast. Dein Dad und ich wollen doch nur das Beste für dich. Jetzt geh nach oben und zieh’ dich schnell um. Ich wünsche, dass du in zehn Minuten fertig bist. Mrs. Coleman und ihr Sohn Thomas kommen in wenigen Minuten, und ich möchte, dass du dann hier bist. Thomas wird später einmal über Reichtum und Einfluss verfügen, genau wie sein Vater, Senator Coleman. Es wäre schön, wenn ihr zwei euch anfreunden könntet. Und jetzt nach oben!“
Liz wandte sich resigniert um. Wenn es der Wunsch ihrer Mutter war, dann musste sie sich fügen. Sie würde das blaue Kleid mit den vielen Rüschen anziehen, und sie würde ihr Bestes geben, um Thomas zu gefallen.
„Was soll das heißen ‘Wir müssen ausziehen’?“, kreischte Liz. „Zieht doch aus, wenn ihr wollt, ich bleibe hier.“
Ihr Gesicht verzog sich zu einer zornigen Fratze. Die Augen glühten ihre Eltern an, die verlegen vor ihr standen und nicht wussten, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten.
Liz fühlte, dass sie gleich einen hysterischen Anfall bekommen würde, und der Gedanke steigerte ihre Wut noch zusätzlich. Die Krämpfe in ihrem Unterleib, hervorgerufen durch ihre monatliche Blutung, nahmen noch zu. Heute war der erste Tag ihrer Regel, und da war es immer besonders schlimm. Als wäre das nicht genug, teilten ihre Eltern ihr gerade mit, dass sie aus dem Haus ausziehen mussten.
Lange Zeit hatte ihr Vater als Produktionsleiter eines wichtigen Autozulieferers ein hohes Gehalt bezogen, das es ihm ermöglichte, ein großes Haus am Stadtrand zu kaufen und seiner Familie ein Leben zu bieten, wie es sich in den späten Achtzigern nur wenige Amerikaner leisten konnten.
Liz, ihr einziges Kind, hatte alles bekommen, was es wollte, und nun musste sich Peter March eingestehen, dass das ein Fehler gewesen war. Mit ihren sechzehn Jahren war sie eine verwöhnte, eigensinnige Göre, die glaubte, das Geld aus einem unsichtbaren Füllhorn sprudelte.
Damit war es vorbei. Seine Stelle war überflüssig geworden, nachdem die Produktion ins Ausland verlegt worden war. Nun war er wieder da, wo er angefangen hatte. Auf der Straße. Arbeitslos.
Inzwischen konnte er die Hypothek für das Haus nicht mehr aufbringen. Sein Entschluss, aus der Vorstadt in die Innenstadt, aus seinem Haus in ein normales Apartment zu ziehen, stand fest. Es ging nicht anders, aber Liz wollte das nicht einsehen. Seit zwei Wochen sprachen ihre Eltern mit ihr, aber sie weigerte sich zuzuhören. Heute war es nun endgültig zum Eklat gekommen. Die Möbelpacker standen vor dem Haus, und Liz machte keine Anstalten, ihre Sachen zu packen.
„Du gehst jetzt sofort auf dein Zimmer und räumst es aus.“ Seine Geduld war am Ende. Er konnte nachfühlen, dass seine Tochter unglücklich war, aber er erwartete wenigstens ein Minimum an Solidarität von ihr. Doch davon war nicht einmal im Ansatz etwas zu erkennen.
„Nein!“, brüllte Liz entschlossen.
Die Frustrationen der letzten Wochen wurden zu blinder Wut, und ohne dass er es wollte, schlug er zu. Es war nur eine Ohrfeige, aber der Schlag warf seine Tochter zu Boden. Blut floss aus einem Nasenloch. Bestürzt beugte er sich zu ihr herab, aber der kalte Blick aus ihren Augen ließ ihn zurückweichen.
Liz stand wortlos auf, ging in ihr Zimmer und packte ihre Sachen in die braunen Faltkartons.
Bis zu seinem Tod sprach sie nie wieder mit ihm.
Der Personalchef von IBM saß Liz gegenüber und lächelte sie überlegen an. Er war ein schmächtiger Mann mit beginnender Glatze und feuchten Lippen, über die er sich ständig leckte. Liz schätzte ihn auf fünfundvierzig. Zwanzig Jahre älter als sie selbst.
Er blätterte demonstrativ in ihren Bewerbungsunterlagen, und so wie er es tat, wusste Liz, dass er ihr den Job nicht geben würde. Sie bewarb sich für die Stelle einer Empfangssekretärin, obwohl sie keinerlei Berufserfahrung aufweisen konnte und auf dem College nur einen Kurs in Maschinenschreiben belegt hatte.
Seit drei Jahren jobbte sie als Kellnerin in einem Hardrock-Cafe. Drei lange Jahre, in denen ihr schwielige Hände an den Hintern fassten, stinkender Bieratem in ihr Gesicht geblasen wurde und lüsterne Blicke ihren Körper abtasteten. Der Job war schlecht bezahlt und in
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