Dunkles Feuer
starrte ihn verständnislos an. Von was faselte dieser Irre?
„Ach ja, ich sollte noch hinzufügen, dass ich für die Regierung tätig bin. Inoffiziell natürlich, aber mit allen Vollmachten ausgerüstet.“ Dao bemerkte, dass ihm John Chen nicht folgen konnte. „Es geht um das Programm zur genetischen Manipulation von Viren, das ihr Prometheus nennt. Nun, wir möchten es haben.“
„Haben?“, echote Chen.
„Ja, du wirst es uns besorgen.“
„Wie soll das gehen? Und warum sollte ich das tun?“
„Wie das gehen soll?“, knurrte Npei verärgert. „Das ist mir scheißegal. Du besorgst es uns und damit basta.“ Er griff in die Innentasche seiner roten Sportjacke. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie eine Fotografie, die er Chen reichte.
Trotz des schwachen Lichtes der Innenleuchte erkannte John die beiden Menschen, die auf der blassen Farbfotografie abgebildet waren.
Honghua, seine Mutter und May-May, seine Schwester. Sie standen auf einem gepflasterten Weg, der zu einem im Hintergrund liegenden Gebäude führte. Ihre Hände lagen ineinander und beide blickten ängstlich in die Kamera. Tränen drangen in Johns Augen als ihm auffiel, wie schmal und ausgezehrt sie aussahen.
Seine Mutter, grauhaarig, mit eingefallenen Wangenknochen, über denen sich die Haut spannte, schien sich nur unter Mühen aufrecht halten zu können. Sie stützte sich auf die Tochter, die kaum einen besseren Eindruck machte.
Die Fotografie in Chens Händen zitterte. „Wie geht es ihnen?“
„Nach zehn Jahren Straflager und Arbeit in den Schwefelminen? Deine Mutter ist erblindet. May-May musste zweimal am Magen operiert werden, seit sie wieder in Freiheit ist. Beide leben nun in Peking und haben Arbeit in einer Glasfabrik gefunden.“
„Warum zeigst du mir dieses Bild? Willst du mich quälen?“
„Nein, es soll nur deiner Motivation dienen. Besorg’ uns das Programm, und wir lassen Honghua und May-May in die USA ausreisen. Weigere dich, und wir schicken sie zurück ins Lager. Wie lange sie in ihrer derzeitigen Verfassung dort überleben, kannst du dir vorstellen.“
„Du Hund!“, schrie John und griff nach Dao Npei. Bevor Chen die Hände richtig nach oben brachte, krachte ein Ellenbogen in sein Gesicht und warf ihn zurück in den Sitz. Furchtbarer Schmerz zuckte durch seine Nase bis ins Gehirn.
„Versuch’ das nie wieder“, zischte Npei. Er langte über Chen hinweg und öffnete die Beifahrertür. „Und jetzt raus hier! Du hast eine Woche Zeit, uns das Programm zu beschaffen.“
John stolperte aus dem Fahrzeug. Hinter ihm wurde die Tür wieder zugezogen, und der Ford verschwand mit blutroten Rücklichtern in der Nacht.
11. Kapitel
Als Steve das Haus betrat, fühlte er sich leer und ausgelaugt. Die Suche nach der richtigen Entscheidung nahm ihn emotional mit. Im Augenblick wollte er nur noch seine Ruhe und einen Drink.
Liz saß im Wohnzimmer, einem weiten Raum mit verputzten Wänden, Steinfußboden und mexikanischen Möbeln. Im Fernseher lief eine Gameshow, aber sie sah nicht hin, sondern konzentrierte sich auf ihre Füße.
Zwischen die einzelnen Zehen waren zusammengerollte Papiertücher geklemmt, und mit einem schmalen Pinsel trug sie vorsichtig neuen Nagellack auf. Im Raum lag der ätzende Geruch von Nagellackentferner, und auf dem Teppichboden bildete ein Haufen zerknüllter Wattekugeln einen künstlichen Schneehaufen. Liz sah nicht auf, als er eintrat, sondern murmelte nur ein leises ‘Hallo’.
Steve beugte sich zu ihr herab und hauchte einen Kuss auf ihre Wange, den sie nicht erwiderte. Er ging zur Bar und schenkte sich einen Scotch ein. Während er die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas kreisen ließ, beobachtete er Liz.
Sie war schön. Aber es ging keine Wärme von ihr aus.
Sie ist kalt, gestand er sich ein. Trotzdem, ich begehre sie noch immer, auch wenn wir schon seit langer Zeit nicht mehr miteinander geschlafen haben. Die ständigen Streitereien haben eine Distanz zwischen uns aufgebaut, und ich weiß nicht, wie wir wieder zueinander finden sollen.
Liz hat andere Pläne und Vorstellungen vom Leben als ich, und sie versäumt keine Gelegenheit, mich daran zu erinnern, was sie von mir erwartet. Geld. Luxus. Ein Leben im Wohlstand.
Sie ist so ganz anders als Eve. Eve hat sich für andere Menschen interessiert. Sie liebte es, neue Leute kennenzulernen, etwas über sie zu erfahren, an ihrem Leben teilzuhaben. Liz’ Denken konzentriert sich ausschließlich auf ihre eigene
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