Dunkles Feuer
packe.“
„Du packst?“
„Ich fliege heute nach Atlanta, einen neuen Kunden für Medic-Soft besuchen“, erklärte er tonlos.
„Steve war hier. Er muss dich dringend sprechen. Er ...“
Plötzlich flammte etwas in Richard auf. Eve konnte sehen, wie sein Körper zu zittern begann, und dann erkannte sie auch den Grund für diese Reaktion. Wut. Hass. Mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze wirbelte er herum. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze.
„Steve war hier?“, brüllte er sie an. Seine Hände schossen nach vorn, packten die Lehnen ihres Rollstuhls.
„Ja“, antwortete sie verängstigt.
„So, und er wollte mich sprechen.“ Eine Feststellung, keine Frage.
„Ja.“
„Jetzt will er mit mir reden. Auf einmal hat er mir etwas zu sagen und vielleicht, aber nur vielleicht, wird er mir auch einmal zuhören, aber da scheiße ich drauf.“ Seine Stimme war ein Orkan, der über sie hinwegfegte. „Jetzt möchte ich nicht mehr mit ihm reden.“
„Aber ...“
Er ließ sie nicht aussprechen, wurde noch lauter. „Wir hätten reich werden können. Alle! Aber mein Geschäftspartner muss den Idealisten spielen. ‘Ich kann nicht ...’, ‘Ich darf nicht ...’, immer ich, ich, ich. Was andere möchten, interessiert ihn nicht.“
Richard beugte sich vor. Sie roch die Zahnpasta, die er gerade benutzt hatte. „Scheiß auf Steve! Scheiß auf seinen verdammten Idealismus. Eine Firma hat die Aufgabe, Gewinne zu erwirtschaften, sie ist nicht zur Selbstverwirklichung einzelner Teilhaber da. Kapierst du das? Kapierst du, was ich sage?“
Sie versuchte, ihm auszuweichen, aber seine Hände hielten den Rollstuhl gepackt und dann, dann sprach er wieder mit normalem Tonfall und Eve bekam noch mehr Angst. Richard wirkte wie ein Wahnsinniger. In seinen Augen brannte ein Feuer.
„An dem, was jetzt passiert, ist Steve selbst schuld.“
„Richard ...“
Er riss die Tür auf, schob sie grob in das nächste Zimmer und schloss die Schlafzimmertür.
Zehn Minuten später verließ er die Wohnung.
Eve fühlte, dass sie ihn nie wieder sehen würde.
Steve war erschöpft. Die vielen Stunden vor dem Computer zeigten ihre Wirkung. Seine Augen tränten und in seinem Kopf hämmerte ein wilder Schmerz. Er versuchte, seine Finger zu bewegen, die in den Gelenken steif geworden waren. Es war geschafft. Stöhnend lehnte er sich im Stuhl zurück. Alle Daten waren gesichert.
Draußen verschwand die Abendsonne hinter den Bürohäusern. Er war müde, so müde.
Die meiste Zeit des Tages hatte er dazu benutzt, das Programm Prometheus zu ‘packen’, die Daten zu komprimieren, um es kopierbar zu machen. Als ihm das gelungen war, hatte er die Festplatte durch eine unscheinbare Falle gesichert, die es jedem außer ihm unmöglich machen sollte, an die Daten heranzukommen. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, und er hoffte, dass seine Mühe umsonst war, aber er war nicht bereit, ein Risiko einzugehen.
Nachdem Linda Hamsher das Büro verlassen hatte, war er kurz zu seinem Auto hinuntergegangen und hatte den Werkzeugkasten aus dem Kofferraum geholt. Nicht lange und das System war auch gegen einen manuellen Angriff gesichert. Nun blieb nur noch ein Letztes. Er musste das Programm auf eine CD überspielen. Aus einer Zehnerpackung nahm er einen Rohling, entfernte die Hülle, legte ihn in den Brenner und startete den Kopiervorgang. Während der Computer unermüdlich die Zeilen übertrug, schlief er ein.
John Chen war ein Bündel aus Emotionen. Nervosität und sein schlechtes Gewissen, aber auch Angst plagten ihn. Er war bereit, Prometheus zu stehlen, Steve, den einzigen Freund, den er je gehabt hatte, um seinen verdienten Lohn zu betrügen. Aber er musste es tun, er hatte keine Wahl. Es ging um das Leben seiner Mutter und seiner Schwester.
Er parkte seinen Pontiac Firebird im Hinterhof der Firma neben den Mülltonnen. Die Tür des alten Wagens, von dem die silberne Farbe abblätterte, und der mehr Roststellen aufwies, als ein alter Hund Flöhe hatte, quietschte laut, und einen Augenblick lang hielt er erschrocken inne und lauschte in die Nacht.
Er nutzte den Schatten des Gebäudes, um bis zum Hintereingang zu kommen. John besaß Schlüssel für alle Zugänge, und jetzt schob er einen davon in das Schloss der Eisentür. Mit einem metallischen Ächzen schwang sie auf. Wieder lauschte er.
Linda Hamsher befand sich wie erwartet nicht mehr an ihrem Platz. Üblicherweise verließ sie das Büro um fünf Uhr, um ihren Mann abzuholen, der sein
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