Dunkles Feuer
bezwingen. Ich darf nicht die Beherrschung verlieren, denn das ist alles, was ich noch habe. Ich glaube, ich würde die Erniedrigung nicht ertragen.« Elisabeth setzte sich auf eine Bank und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Frederik befürchtete schon, sie würde weinen. Doch dann sprach sie weiter: »Vielleicht ist mein Stolz ja auch der Schlüssel. Vielleicht soll ich jetzt Demut lernen, da ich meine Stellung als Frau vergessen und zuviel gewollt habe. Aber das kann doch nicht alles sein? Bevor Du die Mutter Gottes wurdest, warst du doch auch eine Frau, Du kannst mich doch verstehen, oder?« Hoffnungsvoll und verzweifelt zugleich richtete Elisabeth ihren Blick in den Himmel. »Ist es wirklich allein meine Schuld? Hätte er mich lieben können, wenn ich mich mehr wie eine Frau benommen hätte? Wäre ich dann mehr für ihn als ein "guter Freund" und die "Tochter des Gastgebers"? Wie kühl seine Worte doch geklungen hatten. Dabei war es so ritterlich, so romantisch, dass er in der regnerischen Nacht hinaus geritten war, um nach mir zu suchen. Ach, wenn es doch sein eigenes Herz gewesen wäre, das ihn hinaus getrieben hatte, und nicht das Pflichtgefühl gegenüber meinem Vater. Wie gern wäre ich da in seine Arme geeilt. Doch er hatte einen Abgrund zwischen uns aufgerissen, den ich niemals überbrücken kann, ohne auch noch den Rest meiner Selbstachtung zu verlieren.« Sie wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, dann lächelte sie bitter und stand wieder auf, um unruhig hin und her zu gehen. »Das ist ja die schönste Ironie, die das Schicksal mir bereithalten konnte. Ich habe mich immer bemüht, allen zu zeigen, dass ich mehr konnte, als andere Frauen, und nun flenne ich rum wegen Liebeskummer wie ein kleines Mädchen. Aber vielleicht ist es auch besser so«, sinnierte sie weiter. »Endlich habe ich den Mut, mir selbst meine Gefühle einzugestehen, obwohl ich ihnen niemals nachgeben darf. Doch nun, da ich sie nicht verleugne, kann ich lernen, damit umzugehen und sie mit der Zeit aus meinem Herzen zu tilgen. Ich danke Gott dafür, dass er jetzt nicht da ist, und bete, dass er noch lange wegbleibt, damit mein armes Herz Zeit hat, sich einen Panzer zu bauen.«
Frederik hatte dieser heimlichen Beichte hingerissen gelauscht und jedes Wort wie Nektar von ihren Lippen gesogen, denn die Tränen, die ihr Herz vergoss, waren Balsam für sein eigenes. Er wusste, dass es unfair und egoistisch von ihm war, sie weiterhin so leiden zu lassen, doch er traute sich nicht, sie zu unterbrechen, denn das Gehörte war viel zu kostbar für ihn, als dass er darauf verzichten wollte. Als er ihre letzten Worte hörte, dass er noch lange wegbleiben sollte, damit sie ihr Herz gegen ihn verhärten konnte, lächelte er. Diesen Gefallen werde ich dir ganz sicher nicht machen, mein Herz. Spätestens morgen werde ich dich in meinen Armen halten und dich ganz fest an meine Brust drücken. Er stellte sich schon vor, wie er sie aus ihrem Elend erlöste und wie sie dankbar in seine Arme sank.
Es war ihm allerdings klar, dass sie lieber nicht erfahren sollte, dass er sie heimlich belauscht hatte, denn das würde sie in ihrem empfindlichen Stolz verletzen. Vorsichtig trat Frederik den Rückweg an, noch immer wie berauscht von dem eben Gehörten.
Aber als er sich gerade aus dem Gestrüpp befreien wollte, knackte ein Zweig unter seinen Füßen. In der Stille des Gartens hörte er sich fast wie ein Kanonenschuss an, und Elisabeth fuhr erschreckt hoch.
Da ihm das Verstecken nicht mehr sinnvoll erschien, kam Frederik freudestrahlend auf sie zugestürmt. »Elisabeth ...«
Doch sie hörte ihn nicht. Er sah noch, wie sie leichenblass wurde und mit einem leisen Stöhnen zu Boden sank.
Als Elisabeth wieder zu sich kam, lag sie auf einer Bank in der Laube gebettet und Frederik hielt ihren Oberkörper zärtlich umschlungen. Mit dem Bewusstsein kehrte auch ihre Kraft zurück, sie riss sich energisch los und sprang auf, als ob seine Hände sie mit Feuer verbrannten. Sie schwankte, als das Blut aus ihrem Kopf rauschte, doch sie hielt sich aufrecht und schlug Frederiks stützende Hand aus.
»Fasst mich nicht an! Nehmt Eure Hände von mir!« Mit zornig funkelnden Augen blieb sie einige Schritte von ihm entfernt stehen. Als er Anstalten machte, ebenfalls aufzustehen, hob sie abwehrend ihre Hände. »Wagt es ja nicht, mir zu nahe zu treten.« Sie sprach sehr langsam, mit gezähmter Wut.
»Nicht doch, Elisabeth«, sprach Frederik sie beschwichtigend an.
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