Dunkles Geheimnis
Stimme. „Worauf wartest du? Bist du in ihn verknallt oder nicht?“
„Setz dich!“
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Wuff sich schnell hinsetzte. Wahrscheinlich glaubte sie, ich sei auf sie böse.
Aber Alexander blieb dickköpfig vor mir stehen wie ein schnaubender Riese.
Ich schüttelte mein Glas, bis die Eisstückchen klirrend an den Rand stießen, und trank einen Schluck.
Alexander stöhnte genervt, zog so heftig einen Stuhl hervor, dass die Beine laut über den Boden schrammten, und ließ sich schwer darauffallen. Mit verzogenem Gesicht hob er die Hände als Zeichen, dass er getan hatte, was ich wollte, wenn auch widerstrebend. Jetzt sei ich an der Reihe.
Also erzählte ich meine Version.
Die Wahrheit.
Über meine Kontakte mit Ted. Über den Überfall in der Umkleide und meine Angst. Ich erzählte alles.
Das Einzige, was ich ausließ, war das Kribbeln, das mich in Teds Nähe manchmal überkam. Das wollte ich nicht einmal mir selbst eingestehen.
Irgendwann im Laufe meiner Erzählung begann er seinen Milkshake zu trinken. Ein schlürfendes Geräusch aus dem Trinkhalm verriet, dass er am Boden angekommen war. Er schüttelte den Bodensatz und schlürfte noch ein wenig.
Ich war verstummt und wartete jetzt auf seinen Kommentar.
„Verdammt! So eine verdammte Scheiße!“
Aufstöhnend knallte er das Glas auf den Tisch und schlug so heftig mit der Faust auf die Tischplatte, dass Wuff sich mit eingezogenem Schwanz zur Türöffnung schlich.
Die Blubber schäumten auf, als ich die Eisstückchen in meinem Glas mit gespielter Ruhe umrührte, dann zwang ich mich dazu, einen Schluck zu trinken.
Er schüttelte den Kopf.
„Wenn du gehen willst, ist es okay“, sagte ich leise.
Aber am liebsten wollte ich, dass er blieb. Ich sagte mir, wenn er mir jetzt den Rücken zukehrt und geht, bin ich ganz alleine. Aber wenn wenigstens er mir glaubt, brauche ich mich nicht mehr so zu fühlen, als hätte ich die Pest.
„Es ist dir wohl klar, dass ich die ganze Sache nicht besonders komisch finde?“, sagte er und starrte mich an.
„Mhm“, sagte ich.
Für mich war es auch nicht besonders komisch. Ehrlich gesagt war es widerlich. Ekelhaft. Superstressig. Da wurde behauptet, ich hätte mit meinem Lehrer ein Verhältnis, nur um in der Mannschaft mitspielen zu dürfen!
„Also, ich meine, die Leute reden eben“, sagte er.
„Mhm.“
Die redeten nicht nur! Die schrieben auch jeden überhaupt erdenklichen Scheiß.
„Mann, so was Peinliches!“, ächzte er.
Meine Erleichterung darüber, dass ich meine Hoffnungslosigkeit mit jemandem teilen konnte, ging allmählich in Gereiztheit über.
Wer musste einem hier eigentlich leidtun?
Er war nicht überfallen und nackt fotografiert worden.
Aber er fand wohl, dass das besudelte Bild von mir auch ihn und seinen fleckenfreien Ruf beschmutzte. Er schämte sich für mich!
„Mhm“, wiederholte ich.
Mehr brachte ich nicht heraus.
Die Tränen blockierten tausend andere Worte, die herausdrängten.
Er trommelte ungeduldig gegen den Tisch.
„Du brauchst nicht hierzubleiben“, piepste ich noch einmal mit kläglicher Stimme.
Er gab ein irritiertes Brummen von sich, kam aber nicht her, um seine Arme um mich zu legen.
„Ehrlich“, sagte ich mit kräftigerer Stimme.
„Aber willst du denn nicht, dass ich dir Gesellschaft leiste?“, fragte er und machte Anstalten, aufzustehen.
Doch, das wollte ich. Aber nicht, wenn er sich für mich schämte. Ich brauchte jemanden, der zu mir hielt.
„Passt schon, Alex.“
Er stand mit erleichtertem Lächeln auf, klopfte mir hastig auf die Schulter und ging.
Ich begleitete ihn nicht an die Tür, sondern blieb sitzen und wartete darauf, dass ich zusammenbrechen und Sachen um mich schmeißen würde.
Aber erstaunlich genug fühlte ich mich stärker, als die Tür hinter ihm zugeschlagen war. Plötzlich sah ich ein, dass dies für Alexander und mich der Anfang vom Ende war.
Wuff kam zu mir her und stupste mit ihrer Schnauze an meine Hand. Sie wollte ein Zeichen von mir, dass alles wieder gut sei und ich keine unbegreiflichen Kommandos mehr von mir geben würde.
Ich streichelte ihren gesprenkelten Kopf und seufzte.
Alexander würde mir bei der Lösung meiner Probleme nicht behilflich sein.
Die würde ich alleine lösen müssen.
*
Die Dunkelheit draußen vor dem Fenster nahm zu, während ich sitzen blieb und darauf wartete, dass der Kloß aus Trauer in meinem Magen schmelzen würde.
Als die ersten Regentropfen gegen die
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