Dunkles Licht
Woodbridge war der reichste Mann in der Gegend. Diese Tatsache war bedauerlich, aber der Wille des Herrn war zu erfüllen. »Leide nicht, dass ein Anbeter des Teufels überlebt!« Vers 512.
Sie hatten sämtliche Schlachtenlieder gesungen, die den meisten Leuten bekannt waren, und waren jetzt zum dritten Mal bei »Sein Wille geschehe«, als das Herrenhaus in Sicht kam. Natürlich war die Annäherung der Armee des Lichts nicht ungehört geblieben, aber damit hatte Dampier keine Probleme. Er verspürte nicht den Wunsch, unschuldige – wenn auch verführte – Diener zu hängen, obwohl einige von ihnen gleichfalls Ketzer sein mochten. Diese konnten bekehrt und gerettet werden. Er wollte den ungläubigen, widerspenstigen Vogt. In den Fenstern flammte Kerzenschein auf, als die Bewohner auf die Horde aufmerksam wurden, die sich auf der Zufahrt vor dem Vordereingang versammelte.
Einer seiner Helfer hatte »ganz zufällig« ein Sprachrohr mitgebracht. Dampier entdeckte eine praktische Bank und stieg darauf, damit alle zusehen konnten. Drei Helfer standen mit Fackeln neben ihm, um ihn zu erleuchten. Er hob das Rohr an die Lippen.
»Woodbridge!«,
donnerte er.
»Woodbridge! Komm heraus!«
Die Armee brüllte ihre Zustimmung.
»Komm heraus, Woodbridge, oder wir kommen herein und holen dich!«
Diesmal war die Zustimmung sogar noch lauter.
Und plötzlich erkannte Dampier den Willen des Herrn. Der Herr blickte mit Wohlwollen auf den Tod des Ketzers, verbot jedoch Plünderung. Also sollte es so sein. Dampier warf das Sprachrohr hin und hob beide Arme, wie um seine Energie nach vorn zu schleudern. Er rief nach einem Wunder.
Er hatte den Eindruck drei einzelner Einschläge in sehr rascher Folge. Flammen blitzten an Ästen und Zweigen. Glühende Spuren purpurfarbenen Feuers würden ihm in den kommenden Stunden in die Augen eingeschrieben sein, und der Lärm war ohrenbetäubend. Stroh und uralte Balken explodierten wie Schießpulver. Die meisten Menschen wurden zu Boden geschleudert, und viele blieben noch tagelang halb taub.
Dampier fiel von seiner Bank. Es währte mehrere Minuten, bevor er sich auch nur aufsetzen und begreifen konnte, dass er in Gefahr stand, selbst in Flammen aufzugehen. Krabbelnd undstolpernd zog er sich zurück, folgte seiner Schar in die Sicherheit. Erst dann konnte er sich umdrehen und sein Werk anstarren – sein Werk, mit Hilfe des Herrn, natürlich. Das ganze Herrenhaus stand in Flammen. Flammen ergossen sich aus Löchern im Dach; Menschen in brennenden Nachtgewändern sprangen aus Fenstern. Einige der Bäume brannten ebenfalls. Binnen weniger Augenblicke brachen die Überreste des Dachs in einer Lawine rot glühender Holzkohle in sich zusammen. Funken wirbelten hoch in den Himmel. Rings umher weinten und beteten Menschen.
Amen.
Kapitel 13
»Bruder? Bruder Rollo!«
Rollo öffnete gewaltsam die verklebten Augen. In der Nacht hatte es sich zugezogen; der Himmel über dem Gitter war dunkel. Für seine Blindsicht benötigte er jedoch kein Licht. Er kannte die Frau, die sich über ihn beugte. Sie war groß und auch hager, was verständlich bei jemandem war, der von milden Gaben und Löwenzahnblättern lebte. Sie wirkte jünger, als er sie in Erinnerung hatte, wahrscheinlich, weil seine Jahre in Gaudry ihn gelehrt hatten, wie wahrhaft uralte Leute aussahen.
»Die weise Edith!« Sie war die Erste gewesen, die seine Fähigkeiten erkannt hatte, als seine Talente in Erscheinung getreten waren. Sie hatte ihn viel gelehrt. Und sie war stets gut darin gewesen, verlorene Dinge oder verschollene Menschen zu finden, also sollte er nicht überrascht darüber sein, dass sie verpflichtet worden war, ihn zu finden und zu identifizieren.
»Trink!«, sagte sie und hielt eine Flasche in seine Richtung. Sie konnte nicht wie er im Dunkeln sehen.
Jemand anders drückte ihn an den Schultern hoch. Er versuchte, die Hände zu bewegen, und wurde daran erinnert, dass er glühend heiße Handschellen trug. Die ganze Qual und das ganzeEntsetzen kehrten so rasch zurück, dass er fast aufgeschrien hätte. Er nahm ein paar Schlucke und schob die Flasche dann mit dem Kinn beiseite, weil sie Wein enthielt und er seinen Verstand benötigen würde.
Er war nach wie vor in Schweinetrog. Der Albtraum war noch nicht vorüber. Akt drei kam jetzt. Es gelang ihm, sich zum Sitzen aufzurichten. Er lag auf der Koje in der leeren Zelle, und er wusste unbestimmt, dass er mehrere Stunden dort gewesen war. Die beiden Frauen mussten auf dem
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