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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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einfach verschwunden. Der Stall war leer; das Pferd war geflohen.
Oh, Mutter, bitte sorge dafür, dass sie unbewacht ist!
    »Dann Riegel«, sagte Nell. »Wenn sie verriegelt ist, müssen wir darauf hoffen, dass sie auch bewacht ist, weil wir durch das Gitter nach der Wache rufen müssten, um sie zu entriegeln.«
    Das mochte bei einem einzigen Mann funktionieren. Wenn er zum Gitter käme, könnte Rollo Beherrschung anwenden, oderNell; Rollo hatte gesehen, wie sie Shipley beherrscht hatte. Aber der Regierung war Beherrschung gleichfalls bekannt. Bei seiner Verhaftung hatten die Hafenbeamten ihn als Erstes geknebelt. Zu jeder Zeit, wenn er nicht sicher hinter Schloss und Riegel war, hatte man ihn geknebelt, oder es hatte eine Binde um seine Augen gelegen, und niemals hatten sie ihn mit weniger als zwei Wärtern gelassen. Selbst als er voller Qual am Haken gehangen hatte, hatten ihn mindestens zwei beobachtet. Also gäbe es entweder sechs Wärter oder überhaupt keinen.
    Wenn die Tür offen und unbewacht war, dann dank der Mutter. Verriegelt und bewacht von nur einem Mann, wahrscheinlich machbar. Unverriegelt und bewacht von zwei oder mehr Männern, sehr geringe Chance – das Problem wäre, dass sie sähen, wie die Tür sich öffnete, bevor sie sähen, wer sie öffnete, und niemand konnte eine Tür verschwinden lassen. Es gab zu viele Unbekannte. Angenommen, die Tür hatte neben den Riegeln auch ein Schloss, und der Schlüssel steckte im Gürtel des Wärters, weit außer Reichweite?
    Was hatte bloß diese beiden Frauen dazu veranlasst, einen solchen Versuch zu unternehmen? Es gab Zeiten, da wurde Loyalität zu Selbstmord, und das Mindeste, was er tun konnte, war der Versuch zu helfen, statt wie ein Leichnam dazusitzen.
    Rollo kämpfte sich hoch, schwankte eine Minute oder zwei und blieb dann stehen. Er probierte einige wenige Schritte. Sie waren zittrig, aber er konnte gehen. Er fragte sich, ob diese Vorstellung durch Gucklöcher überwacht wurde. Es wäre eine echte Komödie, wenn bewaffnete Wächter unten an der Treppe warteten, die das Finale exerzierten und ihn in seine ehemalige Zelle zurückbeförderten.
    Nell holte wieder Schwert und Gurt hervor. Rollo versuchte, die Arme anzuheben, aber es wollte ihm nicht gelingen.
    »Leg es mir an!«, sagte er. »Ich sehe gut im Dunkeln. Wie ist es euch eigentlich gelungen, ein Schwert einzuschmuggeln?«
    »Indem ich mit sehr steifem Rücken gegangen bin«, erwiderte Edith. »Der Mutter sei gedankt, dass niemand mir gesagt hat,ich solle mich irgendwo hinsetzen.« Solange Rollo zurückdenken konnte, hatte Edith allein in einer Grashütte im Wald nahe Stonebrigde gelebt. Schon die große Stadt würde ihr fremd erscheinen und wäre eine nervenzerreißende Belastung. Wie hatte sie jemals den Mut aufgebracht, den Fuß in dieses höllische Gefängnis zu setzen?
    Während Nell das Schwert richtete, bewunderte er ihre zierlichen Züge und die seidenweiche Haut, denn er wusste, dass sie ihn dabei nicht beobachten konnte. Junge Frauen waren selten in Gaudry, weil mehr Jungen als Mädchen das umherschweifende, gefährliche Leben eines Missionars wählten. Wenn er wieder stärker wäre, könnte er vielleicht ein Interesse an Schwester Nell entwickeln. Priester des Lichts waren dem Zölibat verpflichtet, aber die Kinder der Mutter hielten das für pervers, eine Leugnung des Lebens. Wie in aller Welt konnte er in einer solchen Situation an so etwas denken?
    »Kannst du wirklich im Dunkeln sehen?«, fragte Nell, die vielleicht seine Anspannung spürte.
    »Du hast ein Grübchen am Kinn. Und jetzt wirst du rot.«
    »Wenn du dich so gut fühlst, kannst du dich auch selbst verteidigen.« Sie entfaltete ein Tuch. »Darunter versteckst du deine Hände. »Sie befestigte es an seinem Hals.
    Schlau! Ob er kam oder ging, ein Schwert machte einen Offizier aus ihm, keinen Flüchtling oder gar Wärter. Der Schwertgriff zeigte sich vorn, die Scheide hob den Stoff im Rücken. Natürlich konnten seine Hände es nicht ziehen, geschweige denn Gebrauch davon machen. Er hatte im ganzen Leben noch kein Schwert getragen, außer, um damit zu prahlen. Sie setzte ihm einen Schlapphut auf und zog ihn tief herab, um sein Gesicht zu beschatten, und sie steckte sein Haar so weit darunter, wie es nur gehorchen wollte.
    Ihm war niemals klar gewesen, wie absolut hilflos ein Mann ohne Hände war. Er konnte ohne Hilfe nicht essen oder die intimsten Funktionen ausführen. Und war er ausreichend stark für den Rest dieser

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