Dunkles Spiel der Leidenschaft
Melodie
seiner Musik umhüllt, dass ihr nicht einmal aufgefallen war, wie tief sie
mittlerweile in seine Seele eingedrungen war. Um ihre Reaktion auf die reine
Intimität ihrer Bewusstseinsverschmelzung zu überspielen, brachte Corinne ihre
auf
Abwege geratenen Gedanken energisch unter Kontrolle
und konzentrierte sich auf ihr Vorhaben. Sofort schoss die Bürste aus Dayans
Hand und segelte durch die Luft, um Corinnes wogende Haarmassen zu bändigen.
Ohne ihre Hände zu benutzen, mit reiner Konzentration und Willenskraft teilte
sie ihre Mähne in drei Stränge und flocht sie zu einem dicken Zopf. Ein
Haargummi kam auf Corinnes Befehl herbeigewirbelt und schlang sich um das Ende
des Zopfes.
Erst jetzt schaute Corinne Dayan an. Die Freude über
ihre gelungene Aktion wurde ein wenig von Nervosität getrübt. »Na?« Sie sah wie
ein kleines Mädchen aus, das nicht weiß, ob es stolz oder ängstlich sein soll.
Er grinste sie unverfroren an. »Jetzt pass mal gut
auf.« Dayan streckte einen Arm aus, seine Augen unverwandt auf ihr Gesicht
geheftet und geistig vollständig mit ihr verschmolzen, weil er es sofort wissen
wollte, wenn seine Verwandlung sie ängstigte. Fell kräuselte sich auf seinem
Arm, Muskeln verformten sich und traten hervor.
Staunend schaute Corinne zu, wie der Mann langsam
seine Gestalt veränderte, bis ein großer Leopard mitten im Zimmer stand und sie
mit demselben eindringlichen Blick wie Dayan anstarrte. Einen Moment lang war
sie wie gelähmt und starrte zurück, aber dann bewegte sich die Raubkatze und
kam lautlos näher. Sie erkannte ihn! Es war Dayan, sie wusste es. Der Körper
besaß dieselbe geschmeidige Anmut und Kraft, in seinen Augen lag derselbe
hungrige Ausdruck. Ihr Herz schlug schneller, jedoch nicht aus Angst. Es war
Staunen, Faszination, aber keine Angst. Wie hätte sie so etwas wie Furcht
empfinden können, wenn es Dayan war?
Der Leopard schmiegte sich an sie, und sie vergrub
ihre Hand in dem schimmernden Fell. Sie staunte über die weiche Fülle und über
die Freude, einem Wesen, das in die Wildnis gehörte, so nah zu sein. Corinne
lachte laut, als sie mit den Fingerspitzen über den Kopf des Tieres strich.
Einen Moment lang rieb sie ihr Gesicht an dem starken Nacken des Leoparden und
genoss es, sein Fell an ihrer Haut zu spüren. Es war eine unvorstellbare
Erfahrung, einem wilden Tier so nahe zu kommen. Der Leopard rieb sich an ihr
und starrte sie aus seinen Augen an; er faszinierte sie und hielt sie in
seinem Bann. Dayan. Ihr Dayan. Sie würde ihn immer erkennen, in jeder Gestalt.
Ohne jede Vorwarnung schien von einem Moment auf den
anderen ein dunkler Schatten in den Raum zu kriechen und die Luft in eine zähe,
schwärende Masse zu verwandeln. Corinne erstarrte. In ihrem Bewusstsein spürte
sie Dayans tröstliche Nähe. Entsetzt beobachtete sie, wie der Schatten an der
Wand Gestalt anzunehmen schien, eine groteske, gekrümmte Figur, ein Skelett mit
langen, knochigen Fingern, die an den Spitzen in messerscharfen Klauen endeten.
Corinnes Herz klopfte laut, und sofort stand Dayans Körper schützend vor ihr.
Sie spürte, wie auch die anderen in ihr Bewusstsein eintraten - Desari sanft
und beruhigend, Gregori und Darius mächtig und absolut tödlich, wie ihr
schien.
Sie alle beschützten sie, schirmten sie vor dem
schleichenden Schatten ab. Dieses Ding war durch und durch schlecht, ein
bösartiges, bedrohliches Wesen, das irgendetwas suchte, etwas jagte. Es jagte
sie, davon war Corinne überzeugt. Sie saß völlig regungslos, im Geist fest
verankert mit der Ruhe und Sicherheit der anderen. Seltsamerweise schlug ihr
Herz im selben stetigen Rhythmus wie Dayans Herz weiter, und ihre Lungen
atmeten zusammen mit seinen.
Es war Dayan, der sie am meisten überraschte. Ihr
sanfter und liebevoller Dichter, der so zärtlich und rücksichtsvoll sein
konnte, war plötzlich völlig verändert. Sie spürte den Kontrast zuerst in
seinem Geist. Corinne war so auf ihn abgestimmt, dass ihr die Veränderung
sofort auffiel. Sie kam blitzschnell und wie von selbst, und Corinne erkannte,
dass diese Eigenschaften ebenso sehr Teil von ihm waren wie seine
Sensibilität, seine Musik und seine Lyrik. Er war dunkel und gefährlich, ein
eiskalter Jäger, der aufs Töten abgerichtet war. Gnadenlos und ohne Reue oder
Skrupel. Das totale Gegenteil ihres Dichters. Das grausame, unbarmherzige Tier,
als das er sich selbst bezeichnet hatte. Nichts konnte ihn von seiner Fährte
abbringen, und er würde die Jagd erst
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