Dunkles Spiel der Leidenschaft
Irgendetwas an ihm war anders.
Jedes Mal wenn sie glaubte, der Antwort ganz nahe zu sein, lenkte er sie ab,
ganz beiläufig und ohne jede Mühe.
Sie starrte aus dem Fenster in den dichten Nebel
hinaus. Corinne konnte nichts mehr sehen, und das völlige Fehlen sichtbarer
Hinweise gab ihr das trügerische Gefühl, über den Himmel zu schweben, auf
dicken, bauschigen Wolken. Niemand war in der Lage, den Himmel zu lenken oder
das Wetter zu beeinflussen. Wie also kam sie auf die Idee, Dayan hätte
irgendwie den geheimnisvollen Nebel heraufbeschworen r'
Dieser Nebel war nicht normal. Sie hatte das Wispern
von Stimmen gehört und die Bewegungen schattenhafter Gestalten gesehen. Es war
erschreckend, und doch war Dayan ohne ein Anzeichen von Furcht hinausgegangen,
als hätte er gewusst, dass ihm nichts passieren würde.
Warum gebrauchte er so seltsame Ausdrücke? Sie pochte
mit ihrem Zeigefinger an ihr Kinn. Sterbliche. Er hatte das Wort benutzt, als wäre es normal und würde irgendetwas bedeuten.
Er hatte gesagt, menschliche Wesen könnten ihm nichts antun. Als wäre er selbst kein Mensch. Corinne
schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden.
Natürlich war Dayan ein Mensch. Was sollte er sonst
sein? Ein Tier? Es war allerdings etwas Animalisches an der Art, wie er sich
bewegte. Manches an ihm erinnerte an eine große Raubkatze, der Ausdruck in
seinen Augen zum Beispiel oder die Art, wie er sich bewegte. Was glaubte sie
denn, was er war? Ein rätselhafter Katzenmensch? Corinne ließ langsam den Atem
entweichen. Es war total verrückt, hier im Dunkeln zu sitzen und sich von ihrer
Fantasie mitreißen zu lassen, während Dayan irgendwo da draußen unter Killern
war. Er glaubte nicht, dass er Schutz brauchte, aber sie könnte ihm helfen, falls
es nötig war. Entschlossen langte Corinne nach dem Türgriff. Ihre Hand
zitterte, und sie stellte fest, dass sie auf halbem Weg innehielt. Ihr brach
tatsächlich der Schweiß aus. Alles in ihr beharrte darauf, dass sie im Wagen
blieb.
Behutsam legte Corinne ihre Hände schützend auf ihr
Baby. Irgendetwas Wichtiges entging ihr; sie konnte nicht alle Teile
zusammenfügen. Dayan war anders, und er verfügte über ungeheure Fälligkeiten,
aber das war nicht alles. Einige Kleinigkeiten passten nicht ins Bild. Dinge,
die niemand sonst an ihm zu bemerken schien. Dinge, die sie in ihm entdeckte,
wenn ihr Geist mit seinem verschmolz. Anfangs hatte sie nur seine Stimme
gehört, doch mittlerweile fanden immer mehr Details Eingang in ihr
Bewusstsein. Rätselhafte Bilder. Gesichter. Lebhafte, detaillierte Wiedergaben
von geschichtlichen Ereignissen aus längst vergangenen Zeiten. Die Bilder waren
verschwommen, aber sie waren da, in ihm.
Dayan stand regungslos neben dem vom Nebel verhüllten
Wagen und ließ ihn noch tiefer in den weißen Schwaden verschwinden. Dann
schaltete er sich in Corinnes Bewusstsein ein und musste über die Art und Weise
lächeln, wie sie sich an die Wahrheit herantastete. Corinne. Sein Herz und
seine Seele. Sein Lebensatem selbst. Corinne hatte jedes Mal, wenn er sein
Denken mit ihrem verschmelzen ließ, an Dinge in seinem Bewusstsein gerührt. An
seine Vergangenheit. An Kriege und das Entstehen von Nationen. An lebhafte
Details, die sich tief in sein Gedächtnis eingeprägt hatten. An Demonstrationen
von Stärke. An verschiedenste Epochen. All das war Teil dessen, was seinen
Charakter ausmachte. Seine Familie. Darius. Die Vampire, die ihren
Familienverband wegen der zwei weiblichen Wesen angriffen. Konzerte. Tausende
von Konzerten. Einige von ihnen hatten er und die anderen als wandernde
Bänkelsänger gegeben, andere in Fußballstadien. Pferdefuhrwerke und
altmodische Automobile. Jede Erinnerung vom Dunkel der Nacht überschattet. Geschöpfe der Nacht. Ihre Welt.
Dayan legte eine Hand auf das Autodach, direkt über Corinnes
Kopf. Er wusste, dass er völlig unsichtbar war und dass sie sich Sorgen um ihn
machte. Sie versuchte, sich seinem leise gewisperten Befehl, seinen Anweisungen
zu folgen, zu widersetzen. Corinne war entschlossen, ihm zu helfen, obwohl sie
so klein und zart und ihre Verfassung sehr schlecht war. Sein Herz schmolz bei
diesem Gedanken. Seine Liebe zu ihr wurde mit jedem Moment, den er in ihrer
Gesellschaft verbrachte, stärker, und sie wurde allmählich zu einer
Besessenheit.
Er starrte auf seine Hand und hielt das Bild der
Verwandlung zunächst geistig fest. Seine Hand verzerrte sich, rollte sich ein,
während Krallen wuchsen, wo vorher seine
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