Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
behalte Sie wohl besser im Auge«, stammle ich. Liest er tatsächlich meine Gedanken? Ist das Psi? Oder folgt er einfach meinem Blick und zieht dann logische Schlussfolgerungen? Ich weiß es ganz einfach nicht, aber mir ist so etwas noch nie zuvor untergekommen. Nichts in seinem Geist hat darauf hingedeutet. In krassem Gegensatz zu Kai, dessen Bewusstsein aus einem chaotischen Strudel spontaner Impulse, halbgarer Ideen und Sehnsüchte bestand, war Marsch vollkommen geordnet, still und in sich selbst ruhend. Selbst während wir eingeklinkt waren, habe ich nur wenig von ihm mitbekommen, das er mich nicht mit voller Absicht wissen ließ.
Abgeschottet – wie ich .
Ich schaue ihn an.
Und er lächelt, kühl und ohne jedes Mitgefühl. »Sie werden schon auf Sie warten, wenn wir landen«, sagt er. »Versuchen Sie, niemanden vor den Kopf zu stoßen.«
Ich lächle bittersüß zurück und antworte: »Ist das nicht Ihr Job, schwanzloses Etwas?«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Dina kichern höre.
6
Der Himmel sieht aus wie eine zerkochte Kartoffel.
Ein hässliches Grau-Weiß, wolkenverhangen, hinter den Hangartoren wirbelt der Schnee, und Marsch hielt es nicht für angebracht, mich über die Witterungsverhältnisse aufzuklären oder mir einen Wintermantel zu geben. Also stehe ich mit um den Brustkorb geschlungenen Armen zitternd da. Nicht ganz leicht, selbstbewusst zu wirken, wenn einem die Zähne klappern.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, eine diplomatische Delegation oder irgendeine andere Art Willkommenskomitee? Der Haufen, der auf uns wartet, sieht eher aus wie eine dysfunktionale Familie. Ein sonnengegerbter Mann mit ledriger Haut, der auf einem Zigarillo herumkaut. Er brennt nicht mal. Stimmt, das Zeug ist auf allen zivilisierten Welten schon seit langem verboten. In einem altmodischen Patronengürtel trägt er sein Handwerkszeug mit sich. Ich hoffe, es handelt sich um Schraubenschlüssel. Funktionsfähige Patronenhülsen werden doch gar nicht mehr hergestellt, oder?
Dann eine alte Frau mit struppigem, silbrigem Haar, die Furchen in ihrem Gesicht hat sie mit Make-up zugekleistert. Sie sieht aus wie eine typische ältere Dame aus einer Holo-Show, und halb rechne ich damit, dass jeden Moment ihre »Mädels« herbeigeeilt kommen, um sich kichernd um sie zu scharen. Aber nichts passiert.
Dann wäre da noch das dritte Mitglied des Quartetts: ein kleiner, schmächtiger Kerl mit beginnender Stirnglatze und einem hasenartigen Gesicht; er hat so gut wie kein Kinn. Die Letzte aus der Gruppe ist eine Frau, die mir überraschend jung erscheint, auch wenn ich gelernt habe, die Dinge nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Zumindest ist sie schlank, hat glatte Haut, dunkles Haar und – blassgrüne Augen.
Ich sehe genauer hin: Eine Frau, S-Gen-Trägerin, nicht registriert, hier mitten im Nirgendwo? Der Konzern hätte sie längst unter Vertrag nehmen und ausbilden sollen, dann würde sie jetzt durch den Grimspace springen oder spätestens in ein oder zwei Jahren. Ich schätze sie auf etwa achtzehn, aber ich kann mich täuschen.
Tja, wenn ich will, dass meine neuen Crew-Mitglieder mich vorstellen, kann ich wohl bis zum nächsten Urknall warten. Schweigend stehen sie in einer Reihe hinter mir. Marsch scheint die Situation zu genießen, es gefällt ihm, mich in einer unangenehmen Lage zu sehen, glaube ich zumindest. Ich habe keine Ahnung, warum, denn er hat mich seit der kurzen Zeit, die wir uns kennen, schon oft genug so erlebt. Von dem Moment an, als er meine Zelle betrat und mich am Rand der Tränen sah, hat er mehr von meinen Schwächen zu sehen bekommen als jede andere existierende Lebensform. Mir kommt ein Gedanke: Um dieses Missverhältnis wieder auszugleichen, sollte ich ihn eigentlich umbringen.
Marsch wirft mir einen scharfen Blick zu. Okay, was soll’s …
»Ich bin Sirantha Jax«, sage ich laut.
»Ja, das wissen wir.« Die Art, wie die alte Frau lächelt, gefällt mir überhaupt nicht. Das von Faltenspachtel netzartig überzogene Gesicht und der ausgefranste Haarknoten verleihen ihr etwas Spinnenhaftes. »Ihr Ruf ist Ihnen vorausgeeilt.«
In ihrem Ton liegt eine gewisse Boshaftigkeit, und ich behalte vorsichtshalber das höfliche Lächeln auf meinen Lippen bei. Ich versuche gerade, mir eine Antwort auszudenken, und rufe mir Marschs Worte ins Gedächtnis, ich solle versuchen, niemanden vor den Kopf zu stoßen, als ich etwas auf meinen Schultern spüre. Ich blicke nach hinten und sehe, dass es
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