Durch die Hintertür
Nutzen sein.
Shipton eilte ins Vordergebäude zurück, während ich mit Vorsatz im Garten herumlungerte. Ich wollte auf keinen Fall gesehen werden; dieser unfreundliche diensthabende Polizist würde mich nur allzu gern auf die Straße oder gleich in die Zelle werfen, die sonst für den betrunkenen Mr. Desmond reserviert ist. Also zog ich den Kopf ein und lief zu dem Seiteneingang, den Bill mir gewiesen hatte. Die Tür öffnete sich auf einen leichten Ruck, und schon war ich in einer alten, kaum genutzten Küche – nicht ganz so unhygienisch wie die Toilette, aber doch alles andere als makellos. Die Polizisten hier nahmen ihre Erfrischungen wohl lieber in den Gastwirtschaften der Gemeinde ein.
Aus der Nähe waren Stimmen zu hören. Ich ging auf Zehenspitzen zur Tür und lauschte angestrengt. Die Sprecher waren ganz nahe und redeten absichtlich leise. Sollte ich es wagen, durch diese Tür zu gehen und womöglich den Gesetzeshütern von Drekeham in die Arme zu laufen? Und wenn nicht, war ich bereit, auf den Vorteil zu verzichten, den ich mir auf dem Pissoir so hart erarbeitet hatte?
Ich betete, dass die Tür nicht knarren würde, und öffnete sie. Zu meiner unsäglichen Erleichterung führte sie in eine dunkle, modrige Kammer, teils Speisekammer, teils Aufenthaltsraum. Die Stimmen, die ich hörte, kamen aus dem Raum dahinter – und jetzt, da nur noch eine halb geöffnete Tür zwischen uns lag, konnte ich sie recht deutlich verstehen. Ich kauerte mich hinter eine Art Tresen und lauschte.
Was ich da hörte, zerstreute sämtliche Zweifel daran, dass heute Nachmittag auf Drekeham Hall eine Schandtat der übelsten Sorte geschehen war.
4
Da waren zwei Stimmen. Die eine erkannte ich aus Drekeham Hall wieder: Es war der Mann, den Sir James als ›Sergeant‹ angesprochen hatte und dessen mangelnde Überraschung angesichts eines Leichenfundes aufgefallen war. Die Stimme gehörte keinem Einheimischen. Ich war mit dem Dialekt von Norfolk mittlerweile vertraut, hatte gerade auf dem Pissoir die obszönsten Koseworte darin gehört.
Der Sergeant klang für mich wie jemand, der eher aus der Nähe von London kam. Die andere Stimme jedoch gehörte eindeutig zu einem Einheimischen: Sie war ruppig, tief, das Organ eines älteren Mannes. Es war nicht der diensthabende Polizist – der befand sich offenkundig anderswo im Gebäude, und ich musste gut aufpassen, dass er mich nicht erwischte.
»Gut, Piggott«, sagte der Sergeant. »Jetzt kannst du mal versuchen, ob du ihm ein Geständnis entlocken kannst.«
»Den bringe ich schon zum Singen, keine Angst«, sagte Piggott, der Ältere, in einem grauenhaft anzüglichen Tonfall. »Der wird heulen wie ein kleines Kind, wenn ich mit ihm fertig bin.«
»Du kannst tun, was du willst, solange du ihn nicht umbringst«, erwiderte der Sergeant.
»Wenn du das nicht schon gemacht hast«, sagte Piggott – und ich hätte schwören können, dass er sich dabei die Lippen leckte.
»Ich hab alles für dich vorbereitet, ja. Seinen Mut gebrochen, wie es so schön heißt. Jetzt kannst du den Rest erledigen.«
»Willst du die Aufsicht führen, Sarge?«
»Das ist wohl besser so, oder, Piggott? Ich muss doch sicherstellen, dass stets die korrekte Vorgehensweise eingehalten wird.«
»Ich werde vorbildliche Arbeit leisten, Sarge.«
Ich hörte kehliges Lachen, dann rief der Sergeant laut genug, dass man ihn im ganzen Gebäude hörte: »Brown! Bringen Sie den Gefangenen ins Verhörzimmer!«
Es folgte ein Moment des Schweigens, gestört nur durch Stuhlrücken jenseits der Tür. Ich hielt den Atem an, wollte mich keinesfalls in diesem entscheidenden Moment verraten. Dann hörte ich den Sergeant wieder lachen – nur klang es diesmal weniger grausam.
»Ist also nicht kleiner geworden, Piggott.«
Jetzt war es an Piggott, zu lachen. »Nein, Sir«, sagte er und schnalzte erwartungsfroh mit der Zunge. »Immer noch dick wie ein Ast. Erinnerst du dich, Sarge?«
»Nur allzu gut, Piggott.«
»Du konntest nicht genug davon kriegen, Sarge.«
Jetzt konnte ich meine Neugier nicht mehr zügeln. Die Tür zwischen der Küche und dem sogenannten Verhörzimmer war zweiflüglig und hatte in der oberen Hälfte ein rundes Fenster von fast zwanzig Zentimetern Durchmesser, um Zusammenstöße zu vermeiden. Indem ich mich auf den Tresen setzte und dreißig Zentimeter Abstand zu der Glasscheibe wahrte, konnte ich ins Nebenzimmer sehen, ohne dass das Licht mir ins Gesicht schien. Licht war ohnehin Mangelware; es gab nur eine
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