Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
unter Tage, wie ein Bergarbeiter, stieg in der Morgendämmerung in den Keller, kam mittags für ein Sandwich und Kaffee wieder hoch und arbeitete dann unten weiter bis nach Einbruch der Dunkelheit. Ein Generator und Lampen wurden in den Keller geschafft, um meine unterirdische Welt zu erhellen, und so waren Tag und Nacht nicht mehr zu unterscheiden.
Tommy Albright traf am Morgen von Tag eins ein. Nachdem das Bündel, von dem ich sicher war, dass es George Adair enthielt, untersucht und fotografiert war, gab er die Leiche für den Transport ins Harris Regional Hospital in Sylva frei.
Während Maggie den Verwesungsfleck innerhalb der Hofmauer bearbeitete, half Stan mir, den Kellerboden zu fotografieren.
Dann exhumierten wir das Grab in der Nische, wobei wir die Leiche langsam freilegten, Körperposition und Grabumriss skizzierten und jeden Erdpartikel durchsiebten.
Das Opfer lag mit dem Gesicht nach unten auf einer Wolldecke, den einen Arm unter der Brust, den anderen über dem Kopf. Die Verwesung war fortgeschritten, die Organe nur noch Brei, Kopf und Hände größtenteils skelettiert.
Nachdem die Überreste vollständig freigelegt und dokumentiert waren, begannen wir mit den Transportvorbereitungen. Als wir die Leiche in einen Leichensack hoben, bemerkte ich, dass das linke Hosenbein zerrissen war und das Bein unterhalb des Knies fehlte.
Außerdem fielen mir konzentrische Brüche in der Schläfen-Scheitelregion des Schädels auf. Feine Risse gingen strahlenförmig von der zentralen Depressionsfraktur ab und machten aus dieser Schädelpartie ein Spinnennetz aus zersplitterten Knochen.
»Dem hat man aber einen Mordsschlag verpasst.« Stan hatte aufgehört zu sieben und schaute sich den Schädel an.
»Ja.«
Meine Empörung wuchs stündlich, wie es bei solchen Gelegenheiten immer geschah. Dem Opfer war ein schädelzertrümmernder Schlag versetzt worden, und dann hatte man es in ein Loch geworfen wie den Mulch des letzten Jahres. Was für ein Monster tat so etwas?
Ein anderer Gedanke bohrte sich durch meine Wut.
Diese Leiche war nur wenige Zentimeter tief vergraben. Trotz der Verwesung war noch eine beträchtliche Menge weiches Gewebe vorhanden, was auf einen relativ kürzlichen Tod hindeutete. Lagen darunter frühere Opfer? In anderen Nischen? Ich hielt alle meine Sinne geschärft.
Am zweiten Tag kam Maggie zu uns in den Keller, nachdem sie unter und um den Fleck im Hof herum ein Quadrat von drei Metern Kantenlänge dreißig Zentimeter tief ausgegraben hatte. Obwohl es eine mühselige Arbeit war, hatte es sich gelohnt. Noch zwei einzelne Zähne tauchten im Sieb auf.
Während Stan weiter die Erde der Grabstelle in der Nische durchsiebte, suchten Maggie und ich jeden Zentimeter des Kellerbodens ab und forschten nach Hinweisen auf vergrabene Gegenstände und nach Unterschieden in der Erdreichdichte. Wir fanden acht verdächtige Stellen, zwei in der ursprünglichen Begräbnisnische, zwei in der Hauptkammer und vier in einem toten Gang, der von der Westseite dieser Kammer abging.
Bis zum späten Nachmittag hatten wir bei jeder Stelle eine Testgrabung durchgeführt. Die verdächtigen Punkte im Hauptraum lieferten nur sterile Erde. Bei den sechs anderen fanden wir menschliche Knochen.
Ich erklärte Maggie und Stan, wie wir vorgehen würden. Für das Fotografieren und Durchsieben würde ich vom Sheriff Unterstützung anfordern. Stan würde in der Nische weiterarbeiten. Maggie und ich nahmen uns die Stellen im Gang vor.
Ich führte meine Crew mit professioneller Nüchternheit, wobei meine ruhige Stimme und mein gelassenes Gesicht so gar nicht zu meinem rasenden Herz passten. Mein schlimmster Albtraum war Realität geworden. Aber was genau war dieser Albtraum? Wie viele Leichen würden wir noch ausgraben, und warum waren sie hier?
Maggie und ich legten gerade die ersten beiden Gräber im Gang frei, als eine Gestalt am Eingang auftauchte und sich zwischen uns und eine Lampe in der Hauptkammer stellte. Ich konnte nicht erkennen, wer es war, und fragte mich, ob es sich um ein Mitglied des Transportteams handelte, das mir eine Frage stellen wollte.
Ein Schritt, und ich wusste es.
Larke Tyrell kam mit präzisem Schritt und kerzengeradem Rücken auf mich zu. Ich stand auf, grüßte ihn aber nicht.
»Ich habe versucht, Sie auf dem Handy anzurufen.«
»Die Presse terrorisiert mich mit Anrufen.«
»Wie viele sind es?«
»Bis jetzt zwei verweste Leichen und zwei Skelette. Aber es gibt noch Knochen an mindestens vier
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