Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
Vom Netzwerk:
Vergiss diese Geschichte, die interessiert ohnehin niemanden, und du wirst sie auch bei keiner Zeitung unterbringen. Aber sein Instinkt sagte auch: Diese Geschichte kannst du nicht einfach wegwerfen, du musst mehr darüber herausfinden, weil jede Geschichte ein Recht darauf hat, geschrieben zu werden. Und um mehr zu erfahren, musste er unbedingt mit dieser Soziologin sprechen, die in dem Artikel erwähnt wurde, weil sie kurz vor seinem Tod mit Nelson Braga zusammengearbeitet hatte. Wie hieß sie noch gleich? Sarah Clarice Young?
    Carlo beschloss, in die Bar an der Ecke zu gehen. Es war die beste, und zum Bier bekam man gute Käse- Pastéis. Er fand einen Tisch, gab seine Bestellung auf und hing dann wieder seinen Gedanken nach. Genau, er musste diese Sarah Clarice auftreiben. Und dann würde er die Sache vielleicht sausen lassen. Wie hatte Jim Harrison gesagt: Es gibt keine Wahrheit, es gibt nur Geschichten.

19
    Sie hatten sich am Busbahnhof von Rio de Janeiro verabredet, Dienstagmittag, so um die Essenszeit. Sarah Clarice kam direkt vom Flughafen und setzte sich an einen Tisch mit Selbstbedienung im zweiten Stock. Der Busbahnhof war riesig und ziemlich heruntergekommen. Von hier starteten täglich hunderte von Bussen in jeden Winkel Brasiliens, aber der Stadtverwaltung war offenbar nicht daran gelegen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Auch an diesem Morgen wimmelte es nur so von Pendlern, Emigranten, die zum ersten Mal den Fuß in eine Großstadt setzten, und europäischen Rucksacktouristen auf der Suche nach dem richtigen Bus.
    Sarah Clarice holte sich einen Orangensaft, legte die Beine auf den Stuhl gegenüber und blätterte im Folha de S. Paulo. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren sehr anstrengend gewesen; jetzt wollte sie sich einfach nur entspannen.
    Am gestrigen Montag hatte sie im Büro unter einer gewissen Anspannung gestanden. Es schien jedoch, als hätte niemand gemerkt, dass sie am Samstag dort gewesen war. Marianne würde auch erst in ein paar Tagen wiederkommen, hieß es unter den Kollegen. Joyce wiederum pflanzte sich vor ihrem Schreibtisch auf und stellte sie zur Rede. » Wo bist du bloß abgeblieben? «
    Sarah Clarice gab sich einsilbig. Sie konnte ihre Freundin nicht anschauen, weil sie dann sofort wieder vor sich gesehen hätte, wie Joyce auf dem Bett gelegen und die Beine breit gemacht hatte. Dieses Bild nahm schon fast die Qualität einer Obsession an. Auch Chico Mangas Marmorhintern war Teil der Szene, und jeder Versuch, sie aus ihrem Gedächtnis zu löschen, hatte sich als nutzlos erwiesen. Aus diesem Grund konnte Sarah Clarice das herausfordernde Grinsen ihrer Freundin einfach nicht ertragen. Nach einer Weile begriff Joyce, wie die Dinge standen, und kehrte kopfschüttelnd an ihren Schreibtisch zurück.
    Den Rest des Tages verbrachte Sarah Clarice damit, ihr Material zum São-Francisco-Projekt zu sortieren und unauffällig Kopien anzufertigen. Sie hatte sich nach dem Grund für Mariannes Reise erkundigt und festgestellt, dass in der offiziellen Sprachregelung keineswegs von einem spontanen Entschluss die Rede war. Dumm nur, dass aus Mariannes Terminkalender genau das Gegenteil hervorging. Die letzten Tage waren reichlich mit Terminen gefüllt gewesen, und an diesem Montag, daran konnte sich Sarah Clarice noch genau erinnern, hätte Marianne sogar eine private Verpflichtung gehabt: 16.00, Arzt. Alle wussten doch, dass sich Marianne seit Monaten mit einer mysteriösen Dermatitis herumschlug, gegen die bislang kein Hautarzt ein Mittel gefunden hatte.
    Sarah Clarice erzählte niemandem, dass sie am nächsten Tag nicht ins Büro kommen würde. Sie würde von unterwegs anrufen und einen spontanen Außentermin erfinden. Dafür blieb sie länger als alle anderen, auch länger als Joyce, die sich nicht einmal von ihr verabschiedete. Sie blieb einfach am Schreibtisch sitzen und dachte nach. Irgendwann sprang sie auf und ging zum Fenster, gepackt von der plötzlichen Angst, den weißen Sandero auf der Straße stehen zu sehen.
    Wer waren diese Leute?
    Sie dachte an ihre Reise morgen. Sie musste zugeben, dass sie neugierig war, den berühmten Physiker Ernesto Baduel kennen zu lernen. Auch an Matheus dachte Sarah Clarice. Er kam nur schwer in Gang, dieser Typ, aber dann kannte er kein Halten mehr. Bevor sie das Büro verließ, rief sie noch ihre Mutter an, da sie schon seit Tagen nichts mehr von ihr gehört hatte. Sie verfielen ins Schwatzen. Ihre Mutter hatte eine so schöne Stimme, und es

Weitere Kostenlose Bücher