Durst: Thriller (German Edition)
Francesca erzählte im Gehen, dass die meisten Patienten allerdings direkt wieder nach Hause geschickt würden, da der Platz vorn und hinten nicht reiche.
Von Ulisses keine Spur.
» Hast du ein Foto von ihm? Wenn du es mir dalässt, kann ich es herumzeigen. «
» Nein, tut mir leid. «
» Du hast kein Foto von deinem Bruder? «
» Nein. «
Francesca bedachte Matheus mit einem langen Blick. » Man könnte meinen, du erzählst mir einen Haufen Unsinn. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund glaube ich dir aber. Jetzt muss ich allerdings wieder an die Arbeit. Weißt du, wie du runterkommst? «
» Ich denke schon. «
» Es ist ganz leicht. Wenn du immer bergab gehst, kannst du dich nicht verlaufen. Und du wirst merken, dass dich niemand belästigt, da alle wissen, dass du hier warst. Keine Ahnung, wieso, aber sie respektieren uns. Das habe ich nie begriffen an der Favela. Wir bekämpfen genau das, was die Drogenhändler tun, aber sie respektieren uns. «
» Vielleicht weil ihr außerdem auch noch ihren Familien helft. «
» Kann sein. « Francesca lächelte. » Einem Bruder in Not zum Beispiel. «
Sie verabschiedeten sich. Matheus überquerte den Biliardo, aber Francesca kam ihm noch einmal hinterhergelaufen.
» Hat dein Bruder eigentlich Ähnlichkeit mit dir? «
Darüber musste Matheus nicht eine Sekunde nachdenken. » Ja « , sagte er. » Früher haben wir uns sehr ähnlich gesehen. «
44
Jeden Samstag verließ Davide Strazzon seine Fazenda Santa Tereza do Oeste und ging mit seinen vier italienischen Bracken spazieren. Mit den Hunden durch das Tor mit der flatternden brasilianischen Flagge zu schreiten, in braunen Gummistiefeln, Cordhose und dickem Shetlandpullover, verlieh ihm das Gefühl, ein Schäfer mit seiner Herde zu sein. Heute war die Temperatur empfindlich gefallen. Wenn er seine Hunde zurückrief, damit sie in Reih und Glied blieben, traten Dampfwölkchen aus seinem Mund.
Er ging seine üblichen drei, vier Kilometer, durch einen Lindenwald und über ein paar Hügel. Gelegentlich erblickte er die Dächer von Bauernhöfen, deren Bewohner er kannte; die meisten waren Züchter wie er. Am späten Nachmittag, als die Dunkelheit bereits hereingebrochen war, kehrte Davide auf seine Fazenda zurück. Die Hunde waren ungewöhnlich aufgeregt und ließen sich kaum bändigen, als hätten sie Beute gewittert. Er selbst hatte ebenfalls Appetit und freute sich schon darauf, sich ein paar Scheiben Salami abzuschneiden und ein Glas Rotwein dazu zu trinken.
Als er das Haus betrat, das zwar nicht gerade elegant, aber ziemlich groß war, sah seine Frau auf einem Lokalsender die Sieben-Uhr-Nachrichten. Mariapia war nicht der klassische Fernsehjunkie. Sie engagierte sich in der Kirche und hasste Telenovelas. Und doch stand sie jetzt, die Fernbedienung in der Hand, wie gebannt im Wohnzimmer.
» Davide, Gott sei Dank, dass du zurück bist. Hör dir das an. «
» Was ist denn los, Mary? «
Fünf Sekunden später musste Davide Strazzon nichts mehr fragen. Der Bericht zeigte den Parkplatz einer Churrascaria in Campo Largo, dem Herz am Spieß, wo vor wenigen Stunden eine Größe der lokalen Landwirtschaft mit einem Gewehrschuss mitten ins Gesicht getötet worden war: Diego Messer, vierundfünfzig, verheiratet, drei Kinder. Zurzeit seien die Ordnungskräfte noch vor Ort, hieß es in dem Bericht.
Mariapia setzte sich auf ein Sofa, während Davide wie mechanisch auf den Fernseher zuschritt. Hitze wallte in ihm auf, aber urplötzlich überkam ihn Wut anstelle der Angst. Statt auf den Fernsehbildschirm starrte er nun auf das Wohnzimmerfenster.
Ich weiß, dass du da draußen bist.
Er ging in die Küche, wo sich die Treppe zum Souterrain befand.
» Wo gehst du hin? « , fragte seine Frau besorgt.
» Du bleibst hier und rührst dich nicht vom Fleck. «
Im Untergeschoss öffnete Davide einen großen Holzschrank, der eine ganze Waffensammlung enthielt. Er griff zur Beretta 686 Onyx Pro, seinem Jagdgewehr, und lud sie. Durch die Garagentür verließ er das Haus und ging die Rampe hoch. Die Hunde bellten immer noch.
Bist du schon da, du Bastard?
Irgendwo im Wald, auf einer kleinen Anhöhe, von der aus man das Haus einsehen konnte, hockte Bruno und beobachtete ihn durch das Visier seiner Remington 700P. Davide schritt unruhig hin und her und wusste offenbar nicht, was er tun sollte, zumal sich dem Tor der Fazenda nun Scheinwerfer näherten. Deshalb bellten wohl auch die Hunde. Mit wem kommst du denn da?, fragte sich Davide
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