Durst: Thriller (German Edition)
verblüfft. Hast du gleich eine ganze Truppe mitgebracht?
Zwei Minuten später hatten die Wagen das Tor erreicht. Juvenilson, der Gutsverwalter, lief ihnen entgegen.
» Geh rein. Schnell. Das übernehme ich « , befahl ihm Davide.
» Senhor Davide, das ist die Polizei. «
Strazzon glaubte, sich verhört zu haben. » Wer? «
» Die Bundespolizei, Senhor Davide. Sie wollen rein. «
Seine Ehefrau stand in der Tür. » Was ist los, Davide? «
» Ich weiß es nicht, Mary. Geh wieder hinein, heiliger Himmel. «
Strazzon näherte sich langsam dem Tor, das Gewehr in der Hand.
Eine tonlose Stimme zerschnitt die Luft.
» Nehmen Sie sofort die Waffe runter. «
Davide blieb stehen und legte das Gewehr schräg vor die Brust.
» Senhor Strazzon, nehmen Sie sofort die Waffe herunter. Mein Name ist Emmanuel Polaco von der Bundespolizei. Werfen Sie das Gewehr zu Boden, oder wir eröffnen das Feuer. «
Davide Strazzons Schweinsgesicht wurde vom kalten Licht der Scheinwerfer des Chevrolets der Bundespolizei beleuchtet. Ein Polizist merkte, dass der Mann zitterte. » Wir sollten aufpassen, Hauptmann « , sagte er zu Polaco. » Der Typ ist unberechenbar. «
» Ja. Haltet euch bereit zum Schießen « , flüsterte Polaco. » Aber zielt tief. Wir brauchen den Mann lebend. « Sie waren mit drei Wagen und zwölf Männern gekommen.
Aus seiner Position konnte Bruno Johannsen die Worte nicht hören, aber er spürte die Anspannung. Sein Nachtsichtzielfernrohr zeigte ihm, grünlich eingefärbt, wie Davide Strazzon sein Gewehr umklammerte und die Polizei in Stellung ging. In diesem Moment kam ihm eine Idee, aber er geduldete sich noch etwas. Er brauchte Davide Strazzon und seine grenzenlose Dummheit, um seine spontane Eingebung zu verwirklichen.
» Strazzon « , rief Polaco. » Werfen Sie die Waffe zu Boden. Das ist ein Befehl! «
Davide nahm das Gewehr von der Brust und wollte den Lauf senken, um es zu Boden zu werfen.
Bravo, dachte Bruno und drückte auf den Abzug.
Rodrigo Albuquerque, neunundzwanzig, stand direkt neben Polaco und bekam nicht mehr mit, was nun geschah. Sein Kopf platzte wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon. Im selben Moment entluden sich vier Feuerwaffen auf Davide Strazzon, der das Gewehr mittlerweile zu Boden geworfen hatte. Als er fiel, zauberte ihm die Überraschung ein Lächeln ins Gesicht.
Polacos Befehl war nicht befolgt worden. Man hatte hoch gezielt und Strazzon in Hackfleisch verwandelt.
An einem hochgelegenen Fenster des Herrenhauses auf der Fazenda Yaraibi, in einem steinernen Zimmer, das nur von den flackernden Flammen des Kamins erhellt wurde, stand der Drache und beobachtete den fernen Widerschein der elektrischen Lichter.
Es waren die Lichter, die den gewaltigen Stahlarm des mechanischen Bohrers beleuchteten. Die Arbeiten schritten auch bei Nacht voran. Hinter der Bohrung steckte eine unglaubliche Kraft, und doch erfolgte sie ziemlich langsam, zumal das Loch noch eine Tiefe von sechzig Metern erreichen sollte. Man würde sich gedulden müssen. Hector Lamaielle, der Hydrologe aus Paraguay, der für dieses Projekt engagiert worden war, hatte eine Stelle ausgesucht, die etwa eineinhalb Kilometer vom derzeitigen Aufenthaltsort des Drachen entfernt lag.
Agata Knoll war in einem mit beigem Samt bezogenen Ohrensessel versunken und aß Erbsensuppe. Sie war erstaunt, wie kalt es in Brasilien sein konnte. Ping Xiong saß an einem großen, dunklen Mahagonitisch und verschickte E-Mails. Der Rest der Mannschaft war an der Bohrstelle.
» Morgen werde ich einen Spaziergang machen, um die Umgebung zu erkunden. «
» Ziemlich merkwürdige Gegend « , sagte Sebastian.
» Inwiefern? «
» Kann ich nicht genau sagen. « Dabei hätte er es nur allzu gut sagen können. Hätte er genau hingeschaut und sich in den Anblick des Sonnenuntergangs versenkt, dann hätte er sich unweigerlich als kleinen Jungen wiedergesehen, der sich– zusammen mit anderen ausländischen Knaben wie ihm– ans Ufer des schlammigen Flusses zurückgezogen hatte. Das sengende Blau des Himmels, die feuchte Kälte, die tropische Vegetation. Das war es, was an dieser Gegend merkwürdig war.
» Ist dieser Hector Lamaielle eigentlich vertrauenswürdig? « , fragte Agata.
» Möchtest du die Wahrheit wissen? «
Agata lächelte.
» Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Für Sorgen dieser Art bin ich mittlerweile zu alt. « Dann entschuldigte sich der Drache und erklärte, dass er sich ein wenig hinlege. Bevor er das Zimmer verließ,
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