Durst: Thriller (German Edition)
wiederzuerkennen glaubte. Die Frau schaute sie gequält an. » Lucas? Nein. Das ist Maria Clara, seine Cousine. «
Sarah Clarice war sich nicht ganz sicher, aber sie meinte, sich an das Mädchen zu erinnern. Es war ihm ähnlich schlecht gegangen wie Lucas.
» Und Lucas? «
» Den hat man gestern weggebracht. Doktor Nelson. Gott sei’s gedankt. «
Romeo lächelte, als sie endlich wieder auf eine asphaltierte Straße kamen. Nachdem sie São Pedro verlassen hatten, fuhren sie auf direktem Weg nach Sobradinho, überquerten den Staudamm und steuerten das Dorf an, das Sarah Clarice vor ein paar Tagen mit Nelson besucht hatte. Matheus füllte die dritte Flasche und klebte ein Schild mit der Aufschrift › Areia Branca ‹ darauf.
Als sie Sobradinho hinter sich ließen, klatschte der erste Regentropfen an die Windschutzscheibe des Land Rovers. Innerhalb weniger Minuten war der Wagen nur noch ein weißer Fleck in einer gewaltigen Sintflut. Romeo sah äußerst zufrieden aus: Seine Vorhersage hatte sich erfüllt.
Sandra trat ans Küchenfenster und schob die Spitzengardine beiseite. Nelson verließ soeben den Garten und näherte sich dem Tor. Es regnete in Strömen, und er hatte nichts dabei, um sich dagegen zu schützen. Vor wenigen Minuten hatte das Telefon geklingelt, und Sarah Clarice hatte angekündigt, dass sie nun endlich kämen.
Sandra wandte sich an ihre Hausangestellte. » Marilena, schau doch bitte nach den Sachen im Ofen und vergewissere dich, dass auf dem Tisch nichts fehlt. Ach so, und lass die Hunde nicht in die Küche. Ich geh nur schnell in mein Zimmer hoch. «
» Ja, Senhora. «
Marilena war eine kleine, robuste Person und Romeos Ehefrau. Die beiden hatten drei Kinder und wohnten nun schon seit fünfzehn Jahren im Hause Bittencourt. Sie hatten schon für den alten Bittencourt gearbeitet und waren nach seinem Tod einfach geblieben.
Als Nelson nach Hause kam, blieb ihm nicht einmal mehr Zeit, sich abzutrocknen, als er auch schon einen Wagen aufs Grundstück fahren hörte. Einen Moment blieb er unentschlossen stehen, dann veranlasste ihn der peitschende Regen, in die Gänge zu kommen. Er öffnete die Haustür, um die Gäste in Empfang zu nehmen.
Als er seinen Bruder aus dem Wagen steigen sah, schnürte sich ihm die Kehle zu, aber Sarah Clarice begrüßte ihn mit einem so fröhlichen Lächeln, dass sich die Spannung, die in der Luft lag, sofort löste. Nun kam Matheus durch den Regen angerannt. Als er seinen Bruder auf der Schwelle stehen sah, zögerte er. Dann umarmten sich die beiden Männer gerührt.
» Kommt schon herein, das Essen ist gleich fertig. «
Matheus warf Sarah Clarice einen Blick zu.
» Wie ist es denn gelaufen? « , fragte Nelson, als Sarah Clarice den Rucksack absetzte und Matheus seine Ledertasche auf den Boden stellte.
» Bestens « , sagte sie. » Wir haben die Proben. «
Nelson schaute Matheus an. » Du hast dich also tatsächlich überreden lassen? «
Im ersten Moment schien es, als hätte er seinen Bruder auf dem falschen Fuß erwischt, aber dann nickte Matheus und zeigte auf Sarah Clarice.
» Da seid ihr ja, gesund und munter! « , rief Sandra, die nun den Raum betrat. Sie hatte geduscht und trug ein hellblaues Herrenhemd zu weißen Jeans.
» Matheus, gut siehst du aus. « Sie küsste ihn auf die Wangen.
» Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Wie geht es dir? «
» Großartig. Sarah Clarice, möchtest du eine Dusche nehmen? «
Die Versuchung war groß, aber Sarah Clarice lehnte höflich ab.
» Wollen wir ein Glas Champagner trinken? Das Wiedersehen müssen wir feiern. «
Sandra schaute Nelson an, aber ihr Blick war eher ein Befehl. Sarah Clarice hatte den Eindruck, dass die Dame des Hauses das Ruder an sich gerissen hatte. Und dass sie selbst sich etwas entspannen konnte.
Sie schlenderten ins Esszimmer. Das alte Bauernhaus war sorgfältig restauriert worden, aber den Stil zu bestimmen, fiel Sarah Clarice nicht ganz leicht. Es erinnerte an die Residenzen einstiger Hollywoodgrößen, wie man sie aus alten Zeitschriften kannte. Weißer Putz und edles Holz, kostbare Teppiche, Sofas in Cremetönen, ein gewaltiger Steinkamin und an den Wänden moderne Kunst. Nichts Überkandideltes, sondern alles von schlichter Eleganz.
Der Champagner war exzellent.
» Der ist vermutlich nicht von hier, oder? «
» Nein « , sagte Sandra. » Der ist aus dem Süden; die Trauben zumindest. Die Technik kommt natürlich aus Frankreich, Methode traditionelle. Es wird aber nicht mehr
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