Durst: Thriller (German Edition)
was er brauchte.
Trotzdem fragte er: » Auch den Bruder, Professor Braga? «
Sarah Clarice ging diese schrille, feminine Stimme allmählich auf den Wecker.
» Was meinen Sie? Wenn Ihrem Bruder so etwas passieren würde, wie würde es Ihnen da gehen? «
Der Journalist ließ sich gar nicht auf ihre Gegenfrage ein. » Sie haben auch die Frau von Doktor Braga kennen gelernt, Sandra Bittencourt. Ihnen dürfte bekannt sein, dass sie in der Gegend eine bedeutende Person ist. Allerdings wird sie nicht von allen geliebt, um es einmal vorsichtig auszudrücken… «
Jetzt hatte Sarah Clarice die Nase voll. » Hören Sie, ich sehe nicht, was das mit der Sache zu tun haben sollte. Sind wir fertig? Ich kann nicht den ganzen Tag mit Ihnen verquatschen. «
» Sicher, nur eine letzte Sache noch. Ihnen ist bekannt, dass die Senhora Bittencourt in diesem Moment in Juazeiro befragt wird? «
Sarah Clarice befiel ein plötzliches Unbehagen, aber sie bemühte sich um einen neutralen Tonfall. » Nein, das ist mir nicht bekannt. Es handelt sich aber vermutlich um die übliche Vorgehensweise, dass man unter solchen Umständen die Familienangehörigen des Opfers befragt. Trotzdem, noch einmal: Ich wüsste nicht, was ich Interessantes dazu beizutragen hätte. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt. «
» Gut. In welcher Form darf ich Sie in dem Artikel nennen? «
» Schreiben Sie meinen vollständigen Namen, Sarah mit › h ‹ am Ende. Dreißig Jahre alt, Wirtschaftswissenschaftlerin und Soziologin. Okay? «
Sarah Clarice legte auf, als der Journalist sich gerade bedanken wollte.
Ihre erste Reaktion war, sofort bei Sandra anzurufen, um sich zu erkundigen, ob die Information des Journalisten stimmte. Sarah Clarice hatte den Hörer schon in der Hand, als sie plötzlich innehielt. Vielleicht sollte sie zunächst einmal ihre Gedanken sortieren.
Joyce bot ihr die Gelegenheit dazu. Plötzlich stand sie wieder vor ihr und sagte: » Kommst du mit in die Mittagspause? Ich möchte nicht alleine essen. «
» Ich wollte eigentlich zu meiner Mutter gehen. «
» Sicher? «
» Nein. «
Sämtliche Veranstaltungen wurden für zwei Tage ausgesetzt. Die Uni musste von den Scherbenhaufen und den zu Bruch gegangenen Schränken und Schubladen befreit werden. Außerdem galt es, tonnenweise Papier zu sortieren.
Am Nachmittag berief der Prorektor eine Versammlung ein, um eine Bestandsaufnahme zu machen. Jeder Professor meldete die Verluste in seiner jeweiligen Abteilung. Es gab ein paar unbedeutende Diebstähle und einige irreparable Schäden, die von Seiten des Prorektors mit einer säuerlichen Miene quittiert wurden. Das bedeutete Extraausgaben. Als er die versammelten Dozenten befragte, ob ihnen irgendetwas komisch vorgekommen sei, ob sie sich an irgendwelche Details oder ungewöhnliche Vorkommnisse erinnern könnten, legte er sogar detektivisches Gespür an den Tag. Das allgemeine Schweigen war allerdings eine mehr als klare Antwort.
Als die Reihe an ihm gewesen war, hatte Matheus nichts von Belang gemeldet, was Professor Rocha mit einem skeptischen Blick zur Kenntnis genommen hatte.
Nach ungefähr einer Stunde entließ er die Anwesenden. Bevor er selbst ging, trat er an Matheus heran. » Doktor Braga, könntest du noch kurz in mein Büro kommen? Ich würde gern kurz mit dir reden, falls du ein bisschen Zeit erübrigen kannst. «
Matheus sagte, er komme gleich. Zuvor müsse er aber noch etwas Wichtiges nachprüfen.
Er begab sich zu einem der wenigen Computer, an denen man sich nicht vergriffen hatte, meldete sich bei seinem Mail-Server an und öffnete den Ordner » gesendet « . Was er dort sah, ließ ihm den Atem stocken. Man war in sein Postfach eingedrungen und hatte sämtliche gesendeten E-Mails gelöscht.
Er ging auf die Seite von Hotmail und tippte sein Passwort ein. Warum arbeitete der Computer nur so verflixt langsam? In der vergangenen Woche hatte sich Matheus, nachdem er den Bericht über die Analysen verfasst hatte, eine Kopie an seine Privatadresse geschickt, für den Fall, dass er das Dokument von Salvador oder von São Paulo aus an Sarah Clarice schicken wollte. Was er dann allerdings nicht getan hatte.
Endlich öffnete sich das Programm. Da war sie, die E-Mail mit dem Anhang namens CHICO , schöner als jeder Lotteriegewinn. » Gott sei Dank « , rief er laut und druckte die Datei an dem einzigen noch funktionierenden Drucker aus– wenn die geheimnisvollen Besucher in sein Mailsystem an der Uni eingedrungen waren, gab es keine
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